sprachreif HUM 3, Schulbuch

172 tinnen, die ich kenne, sind hingegen Studentin- nen oder schreiben in der Zeitung darüber, dass sie trotz Studium keinen Job finden. Vielleicht liegt meine Abneigung gegenüber dem Feminismus an den aktuellen Vertretern. Das Emma -Magazin fordert eine Frauenquote im Cockpit (Link: http://www.welt.de/138940304) , weil Männer eher zum Amoklaufen neigen wür- den. Das ist so weltfremd, dass man die Autorin eigentlich nur fest in den Arm nehmen möchte. Der Feminismus hat das Los eines engagierten Nachhilfelehrers gezogen, der seine Arbeit so gut erledigt, dass er seine Notwendigkeit abschafft. Jetzt windet sich der Feminismus und sucht sich panisch die Probleme, für die er doch so hübsche Lösungen hätte. Die Alternative zum senilen Bir- kenstock-Feminismus findet sich im Internet, der sogenannte Netzfeminismus, die etwas ge- störte Tochter des traditionellen Feminismus. Sie leidet unter der Übermutter und kämpft verstö- rend inhaltsleer um Klicks und Unterstriche in der deutschen Sprache. „Das stimmt überhaupt nicht!“, mischt sich der Netzfeminismus ein. „Im Gegensatz zu meiner uncoolen Waldorfmutter bin ich total trendy und nerdy. Hashtag #nerdy!“ Die Sternchen am deutschen Netzfeminismushimmel sind junge Menschen, die Katzen-Memes, politische Kor- rektheit und „niedliche Dinge stricken“ zu ihren Interessen zählen. „Hihi“, kichert der Netzfemi- nismus, „wir sind voll ironisch!“ Ich möchte lie- ber keine Feministin sein. Inhalte hat der neue Feminismus abgeschüttelt, die Latzhosen in den Altkleidercontainer gewor- fen, sich einen Twitteraccount angeschafft. Frau- enrechte sind zur Performance geworden, Ent- rüstung zu Hashtags. Deutsche Ableger der Femen zeigen Brüste (Link: http://www.welt. de/134990877), der Kampf um Aufmerksamkeit ist hart, wenn die Dringlichkeit nicht für sich spricht. Der Feminismus kämpft an allen Fron- ten, aber nicht mehr für Gerechtigkeit, sondern um Aufmerksamkeit. In der Zwischenzeit ma- chen die Frauen, die sich um den Feminismus nicht scheren, Karriere. Das ist über einen Kamm geschoren, das ist subjektiv, das ist mein Ein- druck. Das Bild vom bösen Chef, der seine Se- kretärin lieber ein bisschen angrabbelt als beför- dert, erscheint mir fremd wie eine Welt, die ich nur aus Loriot-Sketchen kenne. Wirtschaft ist nicht niedlich „Aber guck mal, ich will doch nur, dass Männer und Frauen gleich viel verdienen“, quengelt der Feminismus und schiebt die Oberlippe vor, „das ist doch voll wichtig!“ Mir ist das nicht wichtig. Mir ist wichtig, dass ich so viel verdiene, wie ich für angemessen halte. Wenn ich mich benachteiligt fühle, stelle ich di- rekte Forderungen und keinen Antrag auf eine_n Gleichstellungsbeauftragte_n. An die Stelle des Kampfes um Frauenrechte ist schon lange der Kampf des Individuums um sein Glück getreten, aber das wird nicht gerne gehört, das ist egois- tisch und unromantisch, das Feindbild nicht klar und die Fronten diffus. […] Ich glaube, dass das Einkommen keine Frage des Geschlechts ist, sondern ob man sich Geschlech- terklischees entsprechend verhält. Eine Frau, die ihren Puppenhaus-Traum vom eigenen Café wahr machen möchte und dabei an selbst geba- ckenen Karottenkuchen denkt, wird weniger ver- dienen als ein Mann, der sich vornimmt in der Gastronomie Karriere zu machen. Wirtschaft ist nicht niedlich. „Aber es macht so Spaß, für etwas zu kämpfen!“, ereifert sich der Netzfeminismus und verheddert sich in einer Onlinepetition mit dem Titel: „Ein- horn-Gifs und Equal Pay!“ Vielleicht gebärdet sich der deutsche Feminismus, ob kruder Em- ma -Text oder online, deswegen so seltsam, weil er weiß, dass er im Sterben liegt. Dass er nicht mehr richtig gebraucht wird. Dass es immer mehr eine Frage des Selbstbewusstseins und nicht des Geschlechts ist, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Wir leben in einem Land, in dem der Einzelne für sich kämpft. Aufrechte Haltung hilft. Gendern nicht. Der Feminismus bleibt im Flur stehen und be- schwert sich, dass Frauen keine Türen offen ste- hen. Bis irgendwann eine Frau kommt, über den zeternden Flurfeminismus steigt und die Tür selbst aufmacht. QUELLE: http://www.welt.de/kultur/article139269797/Warum-mich-der-Feminismus-anekelt.html ; (abgerufen am 03.09.2016) 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 Schreiben 5  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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