sprachreif HUM 3, Schulbuch

157 Fassen Sie die Inhalte der einzelnen Absätze in Stichworten in Ihrem Heft/Ihrer Mappe zusammen. A27  Eine Textanalyse schreiben Schritt 1: Planen Die Teekanne des Todes Von Florian Aigner | 18.02.2019 Niemand kann beweisen, dass es keine Monster gibt. Aber man soll nicht an etwas glauben, nur weil man es nicht widerlegen kann. Für irrationale Technik-Ängste gilt das genauso. Eine Teekanne aus edlem Porzellan umkreist die Sonne. Weit draußen, irgendwo in der Nähe des Mars, zieht sie ihre Bahn durch den Weltraum. Sie ist so klein, dass wir sie selbst mit unseren besten Teleskopen niemals finden werden. Wir können ihre Existenz nicht beweisen, wir müs- sen einfach an sie glauben. Und wenn doch jemand nicht daran glaubt? Dann soll er erst mal das Gegenteil nachweisen! Kann man mit absoluter Gewissheit ausschlie- ßen, dass sich im All eine Porzellanteekanne be- findet? Nein. Eben. Die Frage nach der Existenz einer interplanetaren Teekanne ist also wissen- schaftlich nicht zu klären. Beide Meinungen müssen zugelassen werden. Sagen wir, die Chan- cen stehen 50:50. Bertrand Russell und das Loch Ness Monster Dieses absurde Gedankenspiel stammt vom bri- tischen Philosophen Bertrand Russell. Er wollte damit zeigen, wie wissenschaftliches Argumen- tieren funktioniert – oder wie es eben nicht funktioniert. Wenn eine Aussage ebenso wenig beweisbar ist wie ihr Gegenteil, dann bedeutet das noch lange nicht, dass man beide Möglich- keiten in gleichem Maß ernst nehmen soll. Ber- trand Russell verwendete dieses Argument, weil ihm als Religionskritiker vorgehalten wurde, dass er die Nichtexistenz Gottes nicht beweisen kann. Doch die Nichtexistenz von etwas lässt sich prinzipiell nicht nachweisen. Die Beweislast liegt bei dem, der behauptet, dass es da ist. Wie würden wir etwa die Frage klären, ob es das Loch Ness Monster tatsächlich gibt? Wir können teure Spezialgeräte einsetzen und jeden Kubik- meter des Loch Ness mit Scheinwerfern und Echoloten untersuchen. Aber wenn man nichts findet, ist damit noch lange nichts bewiesen. Vielleicht ist das Monster geschickt den Such- teams ausgewichen. Oder es ist sehr klein. Oder es vergräbt sich bei Gefahr im Schlamm. Der ab- solute Nachweis, dass im Loch Ness kein Mons- ter wohnt, kann uns gar nicht gelingen. Das ist aber auch nicht nötig. Argumente muss der lie- fern, der an das Monster glaubt. Gefährlich – bis zum Beweis der Ungefähr- lichkeit? Das klingt ziemlich simpel, aber genau über die- ses philosophische Problem stolpern wir ziem- lich oft – zum Beispiel, wenn wir diskutieren, ob man neue Technologien aus Sicherheitsgründen verbieten soll. Sind gentechnisch veränderte Nahrungsmittel gefährlich? Seit vielen Jahren werden in vielen Ländern gentechnische Pflan- zen genutzt, erforscht und beobachtet. Schädli- che Auswirkungen hat man bis heute keine ge- funden. Doch die absolute Ungefährlichkeit einer Sache ist genauso unbeweisbar wie die Nichtexistenz einer kosmischen Teekanne. Und so wurden kürzlich in Deutschland und Frankreich über 10.000 Hektar Rapsfelder zer- stört, weil man in der Saat einen winzigen Anteil genveränderter Samen gefunden hatte. Densel- ben Raps hätte man importieren und essen dür- fen, nur zur Aussaat in Europa war er nicht frei- gegeben. Ist das noch eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme? Oder ist das ähnlich irra- tional wie die Angst, eine kosmische Teekanne vom Mars könnte zur Erde stürzen und uns auf den Kopf fallen? Die Grenze zwischen sinnvoller Vorsicht und ir- rationaler Angst lässt sich nicht wissenschaftlich exakt definieren. Aber wer bis zum Beweis der Unbedenklichkeit ein absolutes Verbot verlangt, der begeht einen logischen Fehler, denn einen solchen Beweis kann es niemals geben. Das gilt für Gentechnik-Sorgen genauso wir für die Angst vor Handystrahlung oder die Skepsis ge- genüber selbstfahrenden Autos. Wir sollten im 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 Schreiben Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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