sprachreif HUM 2, Schulbuch
52 Eine Erörterung schreiben Schritt 1: Planen §188 StGB – „Herabwürdigung religiöser Lehren“ Von Robert Zikmund | 09.01.2015 In Österreich wären wohl einige der Karikaturen der französischen Satirezeitung Charlie Hebdo verboten. Doch braucht es den o als „Blasphemie-Paragraf “ bezeichneten §188 überhaupt? „Wir sind etwas weniger wage- mutig als die Franzosen, wir ha- ben auch eine andere Kultur der Blasphemie – nicht zuletzt auf- grund der verfassungsmäßigen Situation“, das sagte Armin ¹urnher von der Wiener Wo- chenzeitung Der Falter über Re- ligionskritik und diesbezüglich heikle Karikaturen in Öster- reich gestern zur ZiB. Und meinte damit auch den §188 des Strafgesetzbuches. Denn dort steht: „Wer öentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegen- stand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellscha bil- det, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zu- lässige Einrichtung einer sol- chen Kirche oder Religionsge- sellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten ge- eignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstra- fe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tages- sätzen zu bestrafen.“ Der letzte bekannte Fall war der Karikaturist Gerhard Hade- rer. Für sein Comic-Buch „Das Leben des Jesus“ wurde er 2002 nach diesem oft „Blasphe- mie-Paragraf “ genannten Ge- setz angezeigt. 2003 stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren wieder ein. Doch was soll diese Rechtsnorm denn ge- nau wovor schützen? Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an der Uni Wien sagt dazu Fol- gendes: „Geschützt wird nicht die Religion unmittelbar, sondern der religiöse Frieden zwischen den Menschen. Und es ist nicht die Kritik oder die Satire verbo- ten, sondern das Verspotten, das Herabwürdigen, im Sinne von Missachtung ausdrücken und verspotten.“ […] In anderen Ländern, etwa auch in Frankreich, gibt es sol- che Gesetze allerdings gar nicht. Manche Kritiker behaupten auch deshalb, dass die Tren- nung von Staat und Religion in diesen Ländern viel weiter sei als bei uns. Einer derjenigen, denen der §188 StGB ein Dorn im Auge ist, ist der NEOS-Ab- geordnete Niko Alm 1 . Er meint: „Das Problem mit diesem Gesetz ist, dass es gegen die Meinungsfreiheit an sich steht. Es gibt keinen nachvollziehba- ren Grund, warum Religion im Rahmen der Meinungsfreiheit anders behandelt werden soll, als andere gesellschaliche Phä- nomene wie Sport, Politik, Kunst oder Kultur. Dass man hier mit zweierlei Maß misst, ist einfach nicht demokratisch.“ Diesen Vorwurf will Profes- sor Fuchs nicht so stehen lassen: „Religion hat eben eine Sonder- stellung. Wenn aber aus der Re- ligion eine Ideologie erwachsen würde, es also um politische Umsetzung statt religiöser Leh- re ginge, oder statt um verehrte Personen wie Jesus oder Mo- hammed, dann wäre es durch das Strafrecht auch nicht ge- schützt.“ Während vereinzelte Abge- ordnete wie Alm, aber auch der Justizsprecher der Grünen, Al- bert Steinhauser, das Gesetz re- formieren oder abschaen wol- len, möchte etwa die ÖVP, die sich ja gern christlich-sozial nennt, im Moment gar nicht Stellung nehmen. Derzeit läu eine Arbeitsgruppe zur Straf- rechtsreform, und hier will man abwarten. Auch unter Juristen ist man sich nicht mal einig, ob der Paragraf nicht gar verfas- sungsrechtlich geboten ist. Niko Alm von den NEOS ist jeden- falls pessimistisch, was eine Än- derung betrifft. Die einzige Chance sieht er, dass im Zuge der Strafrechtsreform auch die- ser Paragraf zur Debatte steht. Bis auf weiteres bleibt es also in Österreich verboten, etwa dem muslimischen Propheten Mohammed in einem Seminar- vortrag eine pädophile Neigung zu unterstellen. So hat in die- sem Fall der Oberste Gerichts- hof vor einem Jahr eine Geld- strafe bestätigt. QUELLE: http://fm4.orf.at/stories/1752099/ ; (abgerufen am 16.05.2015) 1 Abgeordneter zum Nationalrat von 2013 bis 2017 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Schreiben 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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