sprachreif HUM 2, Schulbuch

204 noch einem deutlichen Helligkeitsunterschied von mehr als 100000 Lux am Tag gegenüber we- niger als einem Lux bei Nacht ausgesetzt, so sind die Gegensätze für uns heute deutlich geringer: Die Lichtintensität in Büros liegt bei 500 Lux, nachts liegt sie dank künstlicher Beleuchtung im ö¬entlichen Raum bei circa 10 Lux. Dank ³ä- chendeckender künstlicher Beleuchtung haben wir die Nacht zum Tag gemacht, können rund um die Uhr arbeiten, konsumieren, mobil sein. Schlafen ist nur eine von vielen Optionen. Doch dies entspricht dem Rhythmus unserer inneren Uhr am ehesten. Sobald es dunkel wird, wird das Hormon Melatonin gebildet, das uns san¨ zur Ruhe kommen lässt. Es sei denn, das künstliche Licht, das von der Straße in unser Schlafzimmer dringt, hindert uns daran, die Nachtruhe zu «n- den. Künstliche Beleuchtung führt dazu, dass sich be- sonders über Städten regelrechte Lichtglocken bilden. Sieben Prozent des gesamten Stromver- brauchs in Deutschland werden für Innen- und Außenbeleuchtung aufgewendet. Das entspricht zwei Millionen Tonnen CO 2 oder der vierfachen Energieproduktion des Kernkra¨werks Brock- dorf. Licht gibt uns Sicherheit. Aber jeder, der schon mal von einer zu hellen Ampel geblendet wurde oder eine Straßenlaterne vor dem Fenster hat oder von einem übereifrigen Bewegungsmelder geweckt wird, kennt auch die Nachteile. Zu viel Licht lässt die Dunkelheit erblassen. Besonders schlimm finden das die Astronomen, die vor lauter Licht die Himmelskörper nicht mehr se- hen: „Die Zahl der sichtbaren Sterne ist in euro- päischen Großstädten mittlerweile von etwa 3000 auf rund 100 Sterne zurückgegangen“, schreibt Andreas Hänel, Chef der IDA in Deutschland und Direktor im Planetarium am Schölerberg in Osnabrück, in einer Publikation über den Zustand der Lichtverschmutzung in Deutschland. Um gute Sternen-Beobachtungs- standorte zu bewahren und auf das Phänomen der Lichtverschmutzung aufmerksam zu ma- chen, hat die IDA in Deutschland bisher vier Sternenparks zerti«ziert. […] An der Einlass- schranke steht eine Sternenwarte, von der aus man die Milchstraße auch mit bloßem Auge se- hen kann. Eine Umfrage ergab übrigens, dass ein Drittel der Deutschen diese noch nie gesehen haben, bei den unter 30-Jährigen waren es sogar 40 Prozent der Befragten. Natürlich ist Milchstraße-Sehen und Sterne-Gu- cken nicht überlebenswichtig, aber ein Kultur- gut, das uns im Laufe von Jahrtausenden Errun- genscha¨en, wie Orientierung auf See oder den Kalender gebracht hat. Heute sehen wir meist lieber auf ³irrende Bildschirme in unterschied- lichsten Größen – als nach oben. Verloren geht damit auch das Gefühl für Dunkelheit. Und die ist beileibe nicht immer gleich. Eine Vollmond- nacht in schneebedeckter Landscha¨ kann glei- ßend hell sein, eine bewölkte Nacht ist deutlich heller als eine unbewölkte, da das Streulicht der Großstädte von Wolken re³ektiert wird. Die Nacht hat Kreative, Gauner und Säufer von jeher zu Höchstleistungen inspiriert. Ihnen dient die Nacht als Schutzraum, Bühne und produk- tivste Phase. In seinem Liebeshandbuch Ars Amatoria gab der Dichter Ovid den Kerlen schon vor 2000 Jahren praktische Ab- schlepp-Tipps, die auch heute noch gelten. „Nachts sind Fehler versteckt, und kein Gebre- chen erkennt man, diese Stunde verschönt jede, wie immer sie sei.“ Der dreimal verheiratete Ovid pro«tierte seinerzeit sicher von besonders dunklen Nächten. Wie auch immer wir die Nacht nutzen – zum Schlafen allein ist sie nicht da. Ob lesend auf dem Sofa, Sterne zählend, spielend oder liebend: Die Nacht lädt uns ein, zu tun, was uns gefällt. Sonne, du hast jetzt Pause – es ist so schön dun- kel! Weiterführende Links: www.lichtverschmutzung.de, www.verlustdernacht.de QUELLE: http://www.ksta.de/freizeit/dunkelheit-ein-plaedoyer-zu-beginn-der-winterzeit-nutze-die-nacht-, 15190120,28839266.html ; (abgerufen am 10.01.2016) 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 Schreiben Semester- check Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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