sprachreif HUM 2, Schulbuch

165 dienen, weil man ihn niemals den Versuch da- von machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immer- währenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwür- fe, würde dennoch auch über den schmalsten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht ge- wöhnt ist. Daher gibt es nur Wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wi- ckeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun. Daß aber ein Publikum sich selbst au»läre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Frei- heit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da wer- den sich immer einige Selbstdenkende sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens ¸nden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernün–igen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen selbst zu denken um sich verbreiten werden. Besonders ist hierbei: daß das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie da- nach selbst zwingt darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es Vorurteile zu p±an- zen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die oder deren Vorgänger ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotismus und gewinnsüchtiger oder herrsch- süchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Re- form der Denkungsart zustande kommen; son- dern neue Vorurteile werden ebensowohl als die alten zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen. […] QUELLE: http://gutenberg.spiegel.de/buch/beantwortung-der-frage-was-ist-aufklarung-3505/1 ; (abgerufen am 12.02.2015) (in Original-Rechtschreibung) Der Artikel Kritik der reinen Brunft wirft einen Blick auf Kant aus damaliger und heutiger Sicht. Lesen Sie den Artikel auf http://www.zeit.de/campus/2009/04/ehemalige-kant und erstellen Sie eine chronologische Liste mit wichtigen Ereignissen in Kants Leben. Diskutieren Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner, ob die ironische Darstellung der Entwicklung Kants heute ernst genommen werden kann. Sind Sie der Meinung, dass sich Kant heute so ent- wickeln würde? Warum? Das Theater in der Aufklärung Da sich die Aufklärer ja insbesondere gegen die Mächtigen, also den Adel, das Königshaus und die Kirche richten, wirkt sich dies auch auf die Literatur aus. Hier werden neue, teils für die Autorin oder den Autor riskante Aussagen getätigt und Forderungen gestellt. Eines der bekanntesten Werke der Aufklärung ist Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weis e, in dem die Religionsfreiheit propagiert wird. Lesen Sie den folgenden Auszug aus Lessings Stück. Hier begründet der Sultan Saladin, warum er Nathans Meinung hören möchte. Unterstreichen Sie seine Begründungen im Text. Beantworten Sie anschließend für sich selbst folgende Frage: Kann man den Begründungen Saladins Glauben schenken? Überprüfen Sie Ihre Meinung, indem Sie entweder in Ihrem Literaturbuch oder online eine Inhaltsangabe des Stückes lesen. Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise Saladin. Ich heische deinen Unterricht in ganz Was anderm; ganz was anderm. Da du nun So weise bist: so sage mir doch einmal Was für ein Glaube, was für ein Gesetz Hat dir am meisten eingeleuchtet? Nathan. Sultan, A34 Ó A35 B A36 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 2 4 6 Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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