sprachreif HUM 2, Schulbuch

157 Eine Textanalyse schreiben Schritt 1: Planen Aber wann sind Essen und Trinken aus demeater verschwunden? Ich meine nicht aus der Kantine, wo das Saufen zum Handwerk ge- hört, sondern aus dem Zuschauerraum. Seit wann sitzt das Publikum auf dem Trockenen? Die Römer haben sich gewiss nicht zurückge- halten. Zu Shakespeares Zeiten – wir feierten soeben seinen 450. Ge- burtstag – gab es noch reichlich zu spachteln und zu picheln im Rund des Globe eatre. Was auch für Louis XIV. und Versailles gilt, wo es ebenfalls Kunstdarbietungen gab und die perückte Nobilität sich nachher in den weiten Fluren des Schlosses erleichterte. Dafür aber muss man erst einmal etwas zu sich genommen haben. Und damit ist es in unseren eatern und Opernhäusern nicht weit her. Eine feste Größe ist der Brezelverkäufer vor der Tür. Schön, dass er da steht. Es würde sonst etwas fehlen. Hat man erst einmal das eater – mit oder ohne Brezel – betreten, sieht es nicht gut aus. Der Mensch will jetzt vor der Vorstellung keine volle Mahlzeit mit meh- reren Gängen und drei Glas Wein, das macht träge, dafür ist auch gar keine Zeit, wenn man angehetzt kommt von der Arbeit. Aber mal etwas anderes als Kanapees und die ewige Brezel darf es schon sein. Warum sind die Brezeln jetzt schon wieder weg? Die Tresen- und Bu¯etmalaise ist fast überall gleich. Es handelt sich um ein internationales Phänomen. Sehr eingeschränktes Angebot und kaum Platz. Hat man je ein Foyer ohne Getränkeschlange gese- hen? Warum lernt keiner daraus? Warum muss das Getränkeholen in der Pause, wenn es überhaupt zu einer Pause kommt, immer zum Engpass führen? Und warum sind die Brezeln jetzt schon wieder weg? Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Kino und ea- ter. Im Kino darf man küssen und kuscheln. Im Kino darf und soll man futtern und sich einsauen mit Popcorn, Chips, Eiskonfekt. Ich habe einmal bei einem Action¸lm Nacho-Chips mit heißer Käse- sauce gegessen; danach war ich kuriert, zumindest davon. Aber es gibt ja auch andere schöne Dinge: In der Astor Lounge am Kurfürs- tendamm kann man zum Film auch Käse und Oliven bestellen und auch eine Flasche Wein. Gern für ein paar Euro einen Roten vom Weingut Coppola in Kalifornien. Im eater bleibt unterdessen der Hunger. Und der Durst. Ist ja ir- gendwie auch eklig, wenn – das passiert ja schon mal – jemand wäh- rend der Vorstellung eine große Flasche Mineralwasser auspackt und – glucks, schlürf, schluck – gegen das aufsteigende Gefühl der inne- ren Versteppung antrinkt. Und selbst das geht nur mit Wasser: Wer eine Pulle Bier auspackt, wie man sie im Kino einfach in den Becher- halter neben sich stellen würde, macht sich verdächtig. Es geht nun mal spartanisch zu. Und dabei bleibt’s. Aber ich möchte mich damit nicht ab¸nden, mit dem Elend im Foyer zumindest nicht. Mit den Brezeln, die im Zweifel matschig 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 Schreiben Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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