sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch

64 Auswirkungen und Probleme politisch korrekter Sprache Politisch korrekte Sprache hat viel dazu beigetragen, ein Bewusstsein für Diskriminierung und Vorurteile zu schaffen. So positiv es ist, dass es heute für Sie vermutlich selbstverständlich ist, gewisse Begriffe nicht mehr in den Mund zu nehmen, so muss doch auch erwähnt werden, dass politisch korrekte Sprache teilweise anfällig für ein Übermaß an Vorsicht ist und manchmal abstruse Wortschöpfungen hervorbringt. Hier den goldenen Mittelweg zu finden, ist sicherlich schwierig. Lesen Sie dazu den folgenden Zeitungsartikel. Welche Intention verfolgt der Text? Machen Sie dazu Notizen. A48  Sprache im Migrationsdiskurs – Warum „Asylant“ ein Killwort ist Von Sebastian Gierke | 11.12.2014 Sprache wird als Mittel der Ausgrenzung missbraucht, beimThema Migration zeigt sich ihre demago- gische Macht. Asylant sagt zwar kaum noch einer, doch andere Unwörter haben Konjunktur. Sehr viele Deutsche grenzenMigranten aus. Ein- fach, indem sie ihnen nicht zugestehen, auch Deutsche sein zu können. Das zeigt eine aktuelle Studie der Berliner Humboldt-Universität. 38 Prozent glauben demnach: Wer ein Kopftuch trägt, kann keine Deutsche sein. Es ist ein erschreckender Befund, dem die Wis- senschaftler der Universität über Begriffe bei- kommen wollen. „Menschen mit Migrationshin- tergrund“, dieses sprachliche Konstrukt, das vor über 20 Jahren von der Pädagogikprofessorin Ursula Boos-Nünning geprägt wurde, soll aufge- löst werden, empfehlen sie. Es verschärfe die Un- terschiede zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund. Die Studie belegt einmal mehr: Sprache spielt in der Diskussion um Einwanderung und Integra- tion eine entscheidende Rolle. Oft wird sie als Mittel der Ausgrenzung missbraucht. Wer ist Deutscher? Und wer nicht? Wie weit ist es vom „Migranten“ zum Deutschen? Wie weit vom „Gastarbeiter“, vom „Flüchtling“? Und vom „Asylanten“? Jedes Wort hat unterschiedliche Bedeutungen und Konnotationen. Sprache ist mächtig. Mit ihr versuchen wir unse- re sozialen Beziehungen zu ordnen. Die Begriffe, die wir verwenden, in denen wir denken, prägen unsere politische Realität. Und beeinflussen da- durch unser Verhalten. Wir gieren nach Vertrau- tem, nach schnellem Erfassen, Bewerten und Bestätigung – und sind deshalb anfällig für Täu- schungen und Irrtümer. Im Sprechen über Flüchtlinge lässt sich die demagogische Macht von Sprache immer wieder nachweisen. Gerade in diesem Themenfeld gibt es viele Wörter, die mehr über den aussagen, der sie verwendet, als über den Menschen, den sie bezeichnen. Neger ist so ein Wort. Und Zigeuner. Oder Asylant. Asylant Asylant war einst ein unschuldiges Wort. „Es wurde in den 60er Jahren auf völlig harmlose Art und Weise benutzt“, erklärt der Linguist Martin Wengeler. Im Duden taucht es erst in der 18. Auflage auf, im Jahr 1980. Nicht ohne Grund. 1980, im Jahr des Militärputsches in der Türkei, kletterte die Zahl der asylsuchenden Menschen in Deutschland über die Grenze von 100 000. Zu diesem Zeitpunkt war eine emotional geführte Diskussion um diskriminierende Sprache ent- brannt− und der Begriff verlor seine Unschuld. „Seit Beginn der 80er Jahre wird das Wort zu- meist abwertend gebraucht, dazu, die Menschen zu benennen, die man nicht dahaben will. An- fang der 1990er erreichte das dann den Höhe- punkt. Zum Beispiel in Medien wie Bild und Spiegel “, sagt Wengeler, der Mitglied der Jury Un- wort des Jahres ist. […] 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Sprach- reflexion 2  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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