sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch
1 32 anderen geben. Auf der anderen Seite muss man anerkennen, dass das Gedicht keine Verben hat. Jegliche aktive Verbindung zwischen den Nomen ist reine Auslegungssache. Gomringers Lyrik konnte dadurch erst zum Streitfall werden: weil sie keine Klarheit herstellt, sondern mit Ambiva- lenzen und Mehrdeutigkeiten spielt, die sich der Alltagssprache entziehen. Diese Spannung macht Gomringers Zeilen überhaupt erst litera- turfähig. Mehrdeutigkeit ist aber für manche Beobachte- rinnen und Beobachter kein erträglicher Zu- stand. Wäre die Konsequenz aus dem Streitfall also, dass nur ideologisch einwandfreie und all- tagssprachlich geprüfteWerke die Akzeptanz der Öffentlichkeit fänden, würde Kunst zum Kom- promiss degradiert und damit zu trister Lange- weile verdammt. Und genau das ist auch das Pro- blem an der Entscheidung der Hochschule: Sie ist ein fauler Kompromiss. Anstatt das Gedicht an der Fassade beizubehalten und einen kriti- schen Umgang mit den unterschiedlichen Mei- nungen anzustoßen, wird nun eine Lösung vor- geschlagen, die alle glücklich machen soll, ohne weiter über die eigentliche Auseinandersetzung reden zu müssen. Das ist ein falsches Signal. Ebenso schräg ist es jedoch, dem Hochschulrat bebend Zensur vorzuwerfen. Schließlich soll Gomringers Werk neben der Fassade auf einer Tafel in Spanisch, Deutsch und Englisch erhalten bleiben und an die Kontroverse erinnern. Man kann diesen Ausgang unglücklich finden, aber undemokratisch ist er nicht. Es ist eine Entschei- dung, die selbst schon so mehrdeutig ist, dass sie ein eigenes Gedicht verdient. QUELLE: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2018-01/gedicht-eugen-gomringer-berlin-sexismus-kommentar; (abgerufen am 16.05.2019) 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 Verfassen Sie einen offenen Brief. Stellen Sie sich vor, Sie wären Studentin bzw. Student an der Alice Salomon Hochschule, an der die Debatte um das Gedicht avenidas von Eugen Gomringer entbrannt ist. Sie haben den Artikel Diese Kunst soll weg gelesen und sich über die Debatte um das Gedicht informiert. Verfassen Sie nun den offenen Brief und bearbeiten Sie dabei die folgenden Arbeitsaufträge: •• Fassen Sie die Debatte um das Gedicht avenidas von Eugen Gomringer zusammen. •• Nehmen Sie zu dem Umgang mit dem Gedicht oder zu den Vorwürfen im Umgang mit dem Gedicht Stellung. •• Machen Sie Vorschläge zum Umgang mit dem Gedicht. Schreiben Sie zwischen 405 und 495 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen. Erklären Sie den Unterschied zwischen einer linearen und einer dialektischen Erörterung. „Antworten“ Sie mit einer Strophe auf ein Gedicht, das Sie zum Thema Holocaust gelesen haben. Definieren Sie den Begriff „Anglizismus“. Verfassen Sie eine kurze Empfehlung für die optimale Satzlänge. 4 5 6 7 8 Lesen Reflexion Medien Sprach- reflexion Schreiben Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=