sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch

208 Palmen orangerosa verfärbt und die holländi- sche Illustratorin in der Wolkenform ein schla- fendes Herz erkennt und noch immer niemand auf der Straße ist und alle Häuser in der Dunkel- heit versinken, damit die Dämonen an der Insel vorbeiziehen, sagt Georgio, der Bulgare: „So müssen sich in früheren Zeiten Sonntage ange- fühlt haben.“ Es ist eigentlich egal, welcher Wochentag gerade ist, ja sogar, welche Uhrzeit. Nur Samstag und Sonntag helfen noch ein bisschen bei der Orien- tierung. Wer keine Skype-Termine und keine nahen Deadlines hat, macht Freizeitpläne. Die angesagteste Party der Insel findet samstag- abends in Ubud statt. Um sieben Uhr, als der ka- nadische Grafikdesigner und der Programmierer aus dem Silicon Valley an der auf Facebook ange- gebenen Adresse aus dem Taxi steigen, tanzen bereits 200 Menschen barfuß vor und in der Privatvilla. Die meisten hier sind single. Eine feste Beziehung ohne festes Zuhause – das passt nicht gut zusammen. Verliebt man sich in eine sesshafte Person, kommt irgendwann der Moment des Abschieds. Das Ideal wäre: sich in jemanden mit dem gleichen Lebensstil zu verlie- ben und gemeinsam um die Welt zu ziehen. Demnächst soll eine Dating-Plattform für digita- le Nomaden online gehen. Es geht aber um viel mehr als die Suche nach dem persönlichen Glück. Was hier gelebt wird, ist die Utopie einer neuen Gesellschaft. Vielleicht ist es wie mit den Hippies der 68er: Erst werden sie als Spinner abgetan, manche Ideen werden sich als Irrtum entpuppen, andere als viel zu ex- trem. Aber ihre Vision wird die Gesellschaft für immer verändern. Wie die Hippies die Erzie- hung und die Sexualmoral revolutionierten, wer- den die digitalen Nomaden unsere Arbeitswelt umwälzen. Um halb zehn wird die Musik leiser, ein Mann um die 50 in einer schwarzen Kutte, die brustlan- gen Haare leicht angegraut, bittet zur Meditation. Als alle im Schneidersitz auf dem Boden sitzen, spricht er mit leiser, warmer Stimme ins Mikro- fon: „Wir danken für die Samen der Menschlich- keit, die wir gemeinsam säen, mit der Art, wie wir tanzen, wie wir leben und wie wir sind.“ Er bläst in ein Didgeridoo, die Feiernden liegen rücklings auf dem Marmorboden, Augen ge- schlossen. Dann ist die Party vorbei. Um zehn gehen alle nach Hause, nüchtern und ausge­ powert. Morgen werden sie mit den ersten Sonnenstrah- len wieder aufstehen. UmYoga zu machen. Oder um zu arbeiten. QUELLE: https://blendle.com/i/neon/reif-fur-die-arbeit/bnl-neon-20170109-118758?sharer=eyJ2ZXJzaW9uIjoiMSIsInVpZCI6ImthdGhyaW5zY2hyYWdsIiwiaXR- lbV9pZCI6ImJubC1uZW9uLTIwMTcwMTA5LTExODc1OCJ9; (abgerufen am 17.08.2017) . Der Text ist ursprünglich erschienen im Schweizer Magazin „Das Magazin“. 1 Person, die Tätigkeiten gerne aufschiebt; 2 Niederlassung, Zweigstelle; 3 Grenzlinie; in diesem Zusammenhang an der Grenze zur Obdachlosigkeit; 4  fern; 5 freie Mitarbeiterin/freier Mitarbeiter, die/der für ein oder mehrere Unternehmen Aufträge selbstständig (also nicht im Angestelltenverhältnis) und persönlich ausführt 228 230 232 234 236 238 240 242 244 246 248 250 252 254 256 258 260 262 264 266 268 270 272 274 276 278 280 282 Auf dem Weg zur Matura Verfassen Sie eine Textinterpretation . Lesen Sie die unter http://fm4v3.orf.at/stories/1688258 erschienene Kurzgeschichte Herr Jesus springt , mit der die Autorin Isabella Straub den FM4-Kurzgeschichten-Wettbewerb Wortlaut im Jahr 2011 gewonnen hat (das Überthema lautete „Zirkus“). Schreiben Sie nun die Textinterpretation und bearbeiten Sie dabei folgende Arbeitsaufträge : •• Fassen Sie die Textgrundlage zusammen. •• Erschließen Sie sprachliche und erzählerische Mittel, die für eine Interpretation der Kurz­ geschichte wichtig sind. •• Deuten Sie die Gedanken und das Verhalten sowohl von Raoul als auch von seiner Verlobten und Frau Jesovsky. Schreiben Sie zwischen 540 und 660 Wörter. Markieren Sie Absätze mittels Leerzeilen. A21  Ó ix762i Reflexion Medien Sprach- reflexion Schreiben 6  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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