sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch

172 stellung ist falsch, denn die Menschheit, die Erde verändern sich. Die Bevölkerung wächst, gleich­ zeitig ist die Zahl der Kinder in den vergangenen zehn Jahren konstant geblieben. Die Gesellschaft wird älter. Man weiß, dass Krankheiten wie Alz­ heimer und Parkinson im Jahr 2050 so viel kos­ ten, dass sie jedes Gesundheitssystem kaputtma­ chen werden. Wir brauchen für die Probleme, die auf uns zukommen, vielleicht einmal bahn­ brechende Lösungen. Ich lehne heute die geneti­ sche Veränderung eines Menschen ab, aber ich könnte mir vorstellen, dass meine Enkel einmal anders denken werden. Gibt es auch relevante ethische Bedenken beim Thema Organzüchtung? Knoblich: Organzüchtungen, wie wir sie für Forschungszwecke imAnsatz testen, sind ethisch selbstverständlich anders zu bewerten […]. Wenn wir irgendwann einmal dazu in der Lage sind, fertige Nieren im Labor zu züchten, dann wäre das ein riesengroßer Durchbruch. Das wäre ganz fantastisch für viele Leute, die dringend auf ein Spenderorgan warten und dabei verzweifeln. Komplette Organe im Labor zu machen ist ja noch nicht möglich. Nur für die Haut geht das. Eine Leber oder eine Niere ist zu komplex in der Dreidimensionalität, da sind die Wissenschafter noch ein großes Stück entfernt. Es werden oft auf einer anderen Ebene Dinge miteinander ver­ knüpft, die nicht zusammengehören. Das Wirt­ schaftsgebaren von Firmen wie Monsanto, die sicherlich Dinge gemacht haben, die moralisch nicht in Ordnung waren, wird mit der von der Firma angewandten Technologie vermischt. Man muss Regeln aufstellen für derartige Unter­ nehmen. Man kann ihnen verbieten, Bauern in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Leider könnte eine solche Vermischung wieder passie­ ren. Die Leute könnten sagen: Keine Organe aus Stammzellen, da verdienen nur die Pharmafir­ men. Und deswegen wollen wir kein funktions­ fähiges Organ, das wir zum Überleben brau­ chen? Die Pharmafirmen brauchen Regeln, stimmt. Aber deswegen sollte man die Technolo­ gie nicht verteufeln. Die Nutzung embryonaler Stammzellen ist stren- gen Gesetzen unterworfen. Können Sie das als Wissenschafter gut nachvollziehen? Knoblich: Natürlich. In hauptsächlich katholi­ schen Ländern wie Österreich habe ich dafür auch großes Verständnis. Wir müssen die Stammzellen daher einführen, hier selbst dürfen keine produziert werden. Ich glaube aber, dass die Diskussion relativ abgeflaut ist. Und die Ein­ stellung der Menschen gegen die Nutzung von embryonalen Stammzellen wird vielleicht bald nicht mehr so streng sein. In Skandinavien und in den USA starten klinische Versuche mit em­ bryonalen Stammzellen bei Parkinson-Patien­ ten. In Japan macht man es mit induzierten plu­ ripotenten Stammzellen, das sind Haut- und Blutzellen, die man in den Urzustand zurückfüh­ ren kann. Wenn das klappt und die Menschen sehen, dass damit jene Nervenzellen erneuert werden können, die bei Parkinson zerstört wer­ den, dann sollte sich doch einiges im Umgang mit der Frage ändern. Ich glaube nicht, dass man die Nutzung solcher Stammzellen für die For­ schung dann noch ernsthaft ablehnen kann. Wenn man es dennoch macht, sollte man aber ehrlicherweise auch dieTherapie imKrankheits­ fall nicht anwenden. Es ist ja jedem freigestellt zu sagen: Nein, ich will mich nicht mit diesen Stammzellen behandeln lassen. QUELLE: DER STANDARD Forschung 2/2017. 21.06.2017, S. 53–55. 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 194 196 Schreiben 5  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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