sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch

153 und muss jetzt rein zum kühlregal und muss jetzt rein zum kühlregal, rolf mir ist ganz heiß. fernfahrer um sich ein kaltgetränk zu holen, das ihm die hitze in ihm drin vertreiben soll. muss jetzt ein kühlwasser in sich reinkippen, damit der körper wieder auf betriebstemperatur sich abkühlen kann. doch statt dem kaltgetränk stürzt ihm, als er die tür aufreißt, stürzt ihm da eine frau entgegen. ganz steifgefroren liegt sie da, am boden von der tanke jetzt. die augen sind zwei eiskristalle. und plötzlich auch ein tempera­ tursturz in ihm drin, im versicherungsmen­ scheninneren erreicht es den gefrierpunkt jetzt. da muss er gar nicht erst das kaltgetränk be­ mühn. damit konnt er nicht rechnen, damit konnt er nicht rechnen, damit konnt er nicht rechnen, dass da im kühlregal die leiche von der eigentli­ chen tankstellenbetreiberin drin liegt. dosen­ fleisch. und keine hitze jetzt in ihm mehr drin, nur eine kalte angst vor diesem unberechenba­ ren, das da grad in sein leben bricht. §11 ein rauschen da vom anfang her beate und rolf am auto. beate wills nicht mehr anspringen, das auto. rolf ich muss hier weg. beate sie habens vorher doch nicht eilig ghabt. ist was passiert? rolf alles in bester ordnung. gibts hier ein tele­ fon? beate die leitungen sind leider tot. hörn sie das auch? das rauschen da im hintergrund. rolf ich hör nur nichts. beate nicht jeder kann es hören. rolf man hört die autobahn, das schon. beate ein echo ists, vom anfang. vom ersten un­ fall, der das alles erst erschaffen hat. manchmal ists, als würde eine unsichtbare macht die autos aus dem strom des unterwegsseins reißen. kommt dann die autobahn zu sich in einem ort, dem unfallort. rolf ich müsst jetzt wirklich weiter. beate ist man erst angekommen mal am unfall­ ort, gibt es so schnell dann kein entkommen mehr. das unterwegssein hört sich auf, wenn es den unfall trifft. da fragts aus keinen kinder­ mündern dann, ob man schon da. hab euch ge­ sehn. rolf wo ist sie hin verschwunden? beate na schau, hat es sich auf ein anderes objekt gerichtet jetzt, das interesse, ihres. rolf das hab ich ihnen schon einmal gesagt, dass sie das gar nichts angeht, für was ich mich so intressier. beate hier gilt nur das gesetz der straße. ich bin die straße. wer etwas will von mir, der muss sich auch an meine regeln halten. rolf was sollt ich wolln von ihnen? beate könnt ihnen sagen, wo sie ist, die, für die sie sich so intressieren, die jayne. rolf was soll das heißen? beate die treibt sich in der gegend öfter rum. rolf war wie ein aufprall, unser aufeinander­ treffen. beate sie lagert hier. rolf hier auf der raststation? beate es treibt sie immer wieder mal zu mir her­ auf. rolf wo ist sie? beate hinter dem lkw-parkplatz kurz vor der auffahrt, gibts eine kleine nische noch, da richtet sie sich für gewöhnlich ein. rolf eilt davon. unter dem asphalt, der haut der straße, regt sich was. da rührt sich eine längst vergessene natur. ver­ ästelungen, die darunter wuchern. wirft beulen schon der schwarze teer. pulsiert dort feinstes wurzelwerk im straßenbett. an manchen stellen finden sich schon kleine risse, die autobahn wird brüchig, sprießt grün das leben draus hervor. QUELLE: Schmalz, Ferdinand: dosenfleisch. TBAbdruck 2015 © S. Fischer Verlag, S. 20 ff. Worum geht es in dosenfleisch ? Ferdinand Schmalz: „Es geht um Menschen auf der Autobahn, die in ihre Autos wie in Dosen einge- keilt sind. Wenn es einen Unfall gibt, bricht ihr Fleisch aus diesen Dosen heraus. Die Frage auf der Meta-Ebene ist, wie sehr führen wir ein Leben, als wären wir gefangen in einer Konservendose, wie sehr ist unser Leben durch zu viele Verpflichtungen so geschmacklos geworden wie Frühstücks- fleisch?“ 1 Tipp 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Lesen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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