sprachreif HAK/HTL 4/5, Schulbuch

126 Im Rückwärtsgang: Der Winter tut den Fischen gut Lesen Sie die Rezension Das glaubt dir niemand von Christina Böck. Stellen Sie fest, ob Sie aufgrund des Textes einen für Sie ausreichenden Überblick über den Inhalt des Romans Der Winter tut den Fischen gut von Anna Weidenholzer bekommen haben, und begründen Sie, weshalb (nicht). A39  „Das glaubt dir niemand“ Von Christina Böck | 08.03.2013 Es gibt sie schon noch. Aber sie werden immer weniger: die kleinen mittelschicken Damenbou­ tiquen, Familienunternehmen mit persönlicher Betreuung statt „Bitte nur fünf Teile in die Kabi­ ne mitnehmen“. In einer solchen arbeitet Maria, die Hauptfigur in Anna Weidenholzers Roman „Der Winter tut den Fischen gut“. Also, sie hat dort gearbeitet. Denn Maria ist arbeitslos. Und das schon seit Monaten. In dem Buch beschreibt Weidenholzer nicht nur die trostlosen Tage ohne Beschäftigung, sondern sie verfolgt Maria auch im Rückwärtsgang durch ihr Leben. Bis zurück in die Kindheit. Mit „Der Winter tut den Fischen gut“ ist Wei­ denholzer nun für den Preis der Leipziger Buch­ messe, die nächste Woche stattfindet, nominiert. Dass in der Wochenzeitung „Zeit“ böse kritisiert wurde, dass keine renommierten Autoren, son­ dern nur aufstrebende Schriftsteller dafür ausge­ wählt wurden, kümmert die 29-jährige Oberös­ terreicherin wenig. Ist ihr doch die Nominierung schon Auszeichnung genug. Kritiker loben ihren Roman dafür, ein topaktuelles Thema aufzugrei­ fen, das in der Literatur etwas stiefmütterlich be­ handelt wird. Warum das so ist, sieht Anna Wei­ denholzer recht pragmatisch: „Das Leben als Arbeitsloser ist nicht besonders spannend. Da gibt es nicht viel zu erzählen normalerweise.“ Identitätsverluste Dass es doch ein spannendes Buch geworden ist, das verdankt Weidenholzer auch dem Theater Hausruck. Bei einer Produktion, in der Ex-Mit­ arbeiter einer stillgelegten Möbelfabrik in Attn­ ang-Puchheim beim „Kapitalismus-Kirtag“ ihre Schicksale erzählten, bekam ihre Roman-Idee konkrete Formen. „Da habe ich gewusst, ich muss auch solche Interviews mit betroffenen Frauen führen, um zu meiner Figur zu finden. Die Gespräche haben mir sehr geholfen, ein Stück von ihrer Lebensrealität zu erfahren. Maria ist älter als ich, sie hat einen anderen Erfahrungs­ hintergrund. Diese Interviews waren zum Teil irrsinnig berührend und so stark, dass ich mir gedacht habe: Das glaubt dir niemand, dass so viel in ein Leben passt!“ Einfach war es freilich nicht, Frauen für diese Gespräche zu gewinnen: „Die Scham ist nicht zu unterschätzen bei der Langzeit-Arbeitslosigkeit.“ Die Interviews sind auch der Grund dafür, dass man Maria rück­ wärts kennenlernt: „Das ist ganz typisch, dass man auch seine Identität ein Stück weit verliert, wenn man seinen Beruf verliert. Wir definieren uns da sehr stark darüber.“ Deswegen ist Maria zu Beginn nur die Arbeitslose, die den Tag tot­ schlägt, indem sie auf einem Markt die Standler beobachtet. Und am Ende ist sie, ohne zu viel zu verraten, eine Ehefrau, die einiges mitgemacht hat, sie ist die liebevoll-distanzierte Tante eines Kindes, sie ist eine zurückhaltende Kollegin − und sie ist Halterin eines ganz besonderen Haus­ tieres. Nämlich von Frosch Otto, den sie als Kaulquappe aufnimmt. „Ich wollte, dass sie ein Tier hat. Aber eins, das zu ihrer Zurückgezogen­ heit passt.“ Weidenholzer hat auch in der Ratgeber-Literatur für Arbeitslose recherchiert. „Einen Satz fand ich besonders skurril: ,Machen Sie konsequent, sys­ tematisch, parallel, schnell und viel.‘„ Maria kennt den Satz auswendig. Er hilft ihr nicht. Bei der Lektüre ist die Autorin auch auf so manches gestoßen, dass am Rande des Unverantwortli­ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 Reflexion Literatur 4  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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