sprachreif HAK/HTL 2, Schulbuch

89 Till Eulenspiegel ist eine der bekanntesten Figuren in der deutschen Narrenliteratur. Viele von Ihnen kennen sicher das eine oder andere seiner Abenteuer noch aus dem Unterstufen-Unterricht. Meist nimmt Eulenspiegel die ihm erteilten Aufträge zu genau und führt sie „Wort für Wort“ aus, was natürlich zu geringem Erfolg führt. Identifizieren Sie die drei typischen Teile der Eulenspiegelgeschichte und zeichnen Sie sie am Rand des Textes an. Die 12. Historie sagt, wie Eulenspiegel dem Kaufmann in Hildesheim das Haus räumte. Als sie die Reise vollbracht hatten und wieder nach Hause kamen, fragte die Frau den Kauf- mann, wie es ihnen ergangen sei. „Seltsam ge- nug“, sagte er, „doch kamen wir wieder zurück.“ Dann rief er Eulenspiegel und sagte: „Kumpan, diese Nacht bleib noch hier, iß und trink dich voll, aber morgen räume mir das Haus! Ich will dich nicht länger haben. Du bist ein betrügeri- scher Schalk, wo du auch herkommst.“ Eulen- spiegel sprach: „Lieber Gott, ich tue alles, was man mich heißet; und doch kann ich keinen Dank verdienen. Aber gefallen Euch meine Dienste nicht, so will ich morgen nach Euern Worten das Haus räumen und wandern.“ „Ja, das tue nur“, sprach der Kaufmann. Am andern Tag stand der Kaufmann auf und sagte zu Eulenspiegel: „Iß und trink dich satt und dann trolle dich! Ich will in die Kirche ge- hen. Laß dich nicht wieder sehen!“ Eulenspiegel schwieg. Sobald der Kaufmann aus dem Haus war, begann er zu räumen. Stühle, Tische, Bänke und was er tragen und schleppen konnte, brach- te er auf die Gasse, auch Kupfer, Zinn und Wachs. Die Nachbarn wunderten sich, was da- raus werden sollte, daß man alles Gut auf die Gasse brachte. Davon erfuhr der Kaufmann. Er kam schnell herbei und sprach zu Eulen- spiegel: „Du braver Knecht, was tust du hier? Find ich dich noch hier?“ „Ja, Junker, ich wollte erst Euren Willen erfüllen, denn Ihr hießet mich, das Haus zu räumen und danach zu wandern.“ Und er sprach weiter: „Greift mit zu, die Tonne ist mir zu schwer, ich kann sie allein nicht bewältigen.“ „Laß sie lie- gen“, sagte der Kaufmann, „und gehe zum Teu- fel! Das alles hat zuviel gekostet, als daß man es in den Dreck werfen könnte.“ „Lieber Herrgott“, sprach Eulenspiegel, „ist das nicht ein großes Wunder? Ich tue alles, was man mich heißet, und kann doch keinen Dank verdienen. Es ist wahr: ich bin in einer unglücklichen Stunde ge- boren.“ Damit ging Eulenspiegel von dannen und ließ den Kaufmann wieder hineinschleifen, was er ausgeräumt hatte, so daß die Nachbarn noch lange lachten. QUELLE: http://gutenberg.spiegel.de/buch/till-eulenspiegel-1936/13 ; (abgerufen am 09.03.2016) (in Original-Rechtschreibung) Verfassen Sie eine eigene Eulenspiegelgeschichte mit den drei typischen Teilen in der Länge von 300 Wörtern. Kreatives Schreiben am Beispiel einer Eulenspiegelgeschichte Überlegen Sie, welche bildlichen Redewendungen man wörtlich nehmen könnte. Denken Sie auch daran, welchen gesellschaftlichen Missstand oder welche menschliche Unzulänglichkeit Sie mit Ihrer Geschichte aufzeigen möchten. Überlegen Sie einen passenden Schauplatz und lassen Sie die Geschichte in der Gegenwart spielen. Stellen Sie Till Eulenspiegel eine zweite Figur gegenüber und bauen Sie direkte Reden in Ihre Geschichte ein. A20 A21 Tipp Kultur- Portfolio S 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Reflexion Literatur N u r zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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