sprachreif HAK/HTL 2, Schulbuch

87 Zwischenstopp Sie sollten jetzt folgende Teilkompetenzen erworben haben: • sich eine Meinung zu unterschiedlichen aktuellen Themen bilden können • sich in Ihrer Argumentation auf einen Ausgangstext beziehen können • Grundmuster und Techniken des Argumentierens anwenden können Menschen durch Literatur bilden Der Humanismus zielte darauf ab, dass Menschen auch in Bezug auf ihre Menschlichkeit „Bildung“ erhielten und brachte daher viele belehrende und moralisierende literarische Formen hervor. Zu- gleich sollten diese aber auch unterhalten und den Menschen Hoffnung geben. Viele Autoren glaub- ten, dass die Gesellschaft mittels amüsanter Geschichten leichter zu beeinflussen wäre. Daher findet man in dieser Epoche viele Fabeln, Gedichte und Erzählungen, die sich mit dem (nicht immer fehler- freien) menschlichen Verhalten beschäftigen. Erasmus von Rotterdam – ein Humanist Erasmus von Rotterdam war Augustinermönch und daher von den Entwicklungen des Humanismus in Bezug auf die Kirche stark beeinflusst. Er stellte sich gegen die Spaltung der Kirche und daher auch gegen Martin Luther und dessen Thesen. Als Gelehrter war er mit seinen vielen einflussreichen Werken und Texten einer der wichtigsten Vertreter des Humanismus. Im folgenden Textauszug tritt die Torheit als Erzähler auf und spricht über sich selbst. Es ist eine ironisch gemeinte Lobrede, die die Menschen vor Torheit warnen soll. Unterstreichen Sie die Textstellen, die ironisch gemeint sein könnten. Diskutieren Sie in Partnerarbeit folgende Frage: Was kann die Leserin/der Leser hier lernen? Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit (1511) Eine Stilübung des Erasmus von Rotterdam Die Torheit tritt auf und spricht: Mögen die Menschen in aller Welt von mir sa- gen, was sie wollen – weiß ich doch, wie übel von der Torheit auch die ärgsten Toren reden –, es bleibt dabei: mir, ja mir allein und meiner Kraft haben es Götter und Menschen zu danken, wenn sie heiter und frohgemut sind. Das beweist ihr selber schon zur Genüge; denn sowie ich vor eure große Gemeinde trat, ging augenblicklich über jedes Gesicht ein ganz ungewöhnlicher, überraschender Schein, munter schnellten die Köpfe empor, und ein so ungehemmtes helles Gelächter schallte mir entgegen, daß mich wahrhaftig deucht, es sei euch allen, die ich von nah und fern versammelt sehe, homerischer 1 Götterwein, gewürzt mit Vergißdasleid, zu Kopfe gestiegen, und saßet doch vorher so be- drückt und verängstigt da, als kämet ihr eben aus des Trophonius 2 Höhle. Aber, wie es allemal der Welt im Frühling geht – sobald die Sonne ihr schönes goldenes Antlitz der Erde wieder ent- hüllt oder nach dem bösen Winter der neue Lenz 3 mit schmeichelndem Zephyr 4 die Fluren fächelt, steht über Nacht die ganze Natur in neu- em Gewande, in neuen Farben, in neuer Jugend da –, so hat sich im Nu, sobald ich mich blicken ließ, euer ganzes Wesen verwandelt, und was ge- wiegte Redner mit einer langen und wohlstu- dierten Ansprache kaum zustande bringen – ich meine, die schlimmen Sorgen verscheuchen –, ist mir mit dem ersten Schritt vor euch hin gelungen. A17 A18 B 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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