sprachreif HAK/HTL 2, Schulbuch

73 im „Kurier“ zu der aktuellen Kopftuch-Debatte zu Wort. Ein Kreuz solle zwar weiterhin im Ver- handlungssaal möglich sein, sagt er dabei. Aber er meint auch in Richtung von SPÖ-Staatssekre- tärin Muna Duzdar, die erklärt hatte, dass es nicht angehe, sich hier für Verbote nur eine Reli- gion – den Islam – herauszupicken: „Es geht da- bei nicht nur um das Kopftuch, sondern um alle auffälligen Kleidungsstücke, die auf eine be- stimmte Weltanschauung oder ein Religionsbe- kenntnis schließen lassen – also auch um die Kopfbedeckung eines Sikh oder die Kippa.“ Der Minister spricht hier für seinen Bereich, also die Justiz. Der öffentliche Dienst ist aber weit mehr als nur die Justiz: Krankenhäuser, Schulen, Kindergär- ten, Ämter – der Staat hat vielfältige Einrichtun- gen. Überall dort soll also nicht nur das Kopftuch verschwinden, sondern eben auch die Kippa und andere religiöse Kopfbedeckungen beziehungs- weise Kleidung? Heute Früh hat mich eine liebe Freundin kontaktiert. Sie ist orthodoxe Jüdin, trägt Scheitel und ist im öffentlichen Dienst tätig. „Ich fühle mich als jüdische Frau mit Perücke im Staatsdienst jetzt auch verunsichert“, sagte sie be- sorgt. Ich kann sie verstehen. Noch vor einigen Jahren hatte Kurz erklärt, das Kopftuch stehe nicht zur Debatte. Österreich und Europa haben inzwischen bewegte Zeiten hinter sich: islamistischer Terror, wie zuletzt in Berlin, schaffen eine Stimmung der Angst. Mit der Aufnahme von zehntausenden Flüchtlingen muss sich Österreich einer riesigen Integrations- aufgabe stellen. Man sollte meinen, der Außen- minister, der auch für die Integrationsagenden zuständig zeichnet, sollte sich hier vor allem um positive und konstruktive Ansätze bemühen. Aber mitnichten. Offenbar hat hier der Bundes- präsidentschaftswahlkampf des freiheitlichen Kandidaten vorgeführt, wie man mit Islamfeind- lichkeit punkten kann. Damit schadet der Minis- ter aber nun – er polarisiert, er trägt dazu bei, dass alle Frauen, die Kopftuch tragen, von vielen als radikal angesehen werden. Er führt zudem double standards vor: Kreuz ja, Kopftuch nein. Welches Signal senden solche Aussagen aus? Solidarität unter den verschiedenen Religions- gemeinschaften in Österreich ist nun absolut nö- tig. Imam Demir und Landes-Oberrabbiner Hofmeister haben vorgezeigt, wie ein Schulter- schluss funktionieren kann. Möge dieser Schul- terschluss in den kommenden Tag wachsen und zu einer starken Stimme anschwellen. Öster- reichs Gesellschaft braucht starke Stimmen, um nicht durch populistische Ansagen gespalten zu werden. Ich möchte in einem Land leben, in dem Toleranz für alle und nicht nur einige gilt, in dem Menschen nicht auf Grund äußerer Merkmale wie ihrer nicht ganz so hellen Hautfarbe oder eben demTagen einer religiösen Kopfbedeckung diskriminiert werden, und das ganz offiziell. Der Kampf gegen den Terror wird nicht dadurch zu gewinnen sein, größere Menschengruppen kol- lektiv an den Rand der Gesellschaft zu drängen. Wer keinen Extremismus möchte, sollte Solidar- ität und eine offene, tolerante Gesellschaft pfle- gen und stärken. QUELLE: http://www.wienerzeitung.at/meinungen/blogs/juedisch_leben/866522_Und-dann-kommt-das-Kippaverbot.html ; (abgerufen am 23.03.2017) 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 Infobox double standards : doppelte Standards, Doppelmoral Kippa : religiöse Kopfbedeckung männlicher Juden Konkordat: Vertrag zwischen einem Staat und dem Vatikan Laizismus: strikte Trennung von Staat und Religion Scheitel: Perücke, die verheiratete Frauen in bestimmten jüdischen Gruppen tragen Sikh: Angehörige/Angehöriger der in Indien entstandenen Sikh-Religion Appellieren Sie an Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, zur Wahl der Schulsprecherin bzw. des Schulsprechers zu gehen. Formulieren Sie vier verschiedene Varianten. a. Befehl: 2 Schreiben Kompetenz- check Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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