sprachreif HAK/HTL 1, Schulbuch

89 subtil zum Tragen: Agamem- non ist ein dekadenter Clown, der von Brian Cox mit dem ir- ren Blick der Machtgeilheit aus- gestattet wird. Sein Bruder Me- nelaos ist ein ungeschlachter Klotz, der sich – dumm gelau- fen – seine bildschöne, aber ein- fältige Frau (Diane Krüger) von einem smarten Jüngling aus- spannen lässt. Ein US-Kritiker beschrieb die Griechenfürsten von „Troja“ als in die Jahre ge- kommene Motorradrocker. Man könnte auch einfach Bar- baren sagen: Von der feinsinni- gen Hochkultur der Antike fehlt jede Spur. „Man braucht Krieg, um Macht zu schmieden“, ist Agamemnons Motto. Vor allem aber braucht er Achilles, den Superkiller, dem es nahezu egal ist, wem er seine Dienste leiht. Widerwillig zieht der Halbgott mit den Griechen in die Schlacht um Troja. Not- dürftig motiviert er sich damit, dass es ja nun einmal die Schlacht aller Schlachten sei und vielleicht der Eintrag seines Namens in die Geschichtsbü- cher dabei herausspringen könnte. Die gewagte Besetzung des antiken Helden mit dem Pop­ kultur-Idol Brad Pitt erweist sich hierbei als Glücksgriff. Der Hollywood-Schönling spielt den Unbesiegbaren mit einem verächtlichen Zug. Noch ein Krieg? Na gut, wenn’s sein muss, scheint er innerlich zu seufzen. Pitt erinnert dabei an seinen Tyler Durden aus „Fight Club“, der so abgestumpft ist, dass er Prügeleien anzettelt, um we- nigstens den Schmerz als inten- sivste aller Empfindungen noch zu spüren. Auch an Superman muss man denken, wie er zu- weilen grüblerisch in seiner Festung der Einsamkeit hockt und mit der Ewigkeit hadert. Vielleicht hatte sich Petersen vor „Troja“ schon ein bisschen zu viel mit demComic-Stoff be- fasst. Denn wenn Achilles als de- moralisierter Superman daher- kommt, dann trifft er mit Hektor auf einen frustrierten Batman, der die Nase voll vom Tö t en und s e i ne r ve r ­ antwortungsvollen Rolle als aufrechter Trojaner-Prinz hat. Zu den schönstenMomenten in „Troja“ zählt die Szene, als Paris seinem Bruder auf dem Schiff in die Heimat von der Entfüh- rung Helenas berichtet. Eric Bana versöhnt den Zuschauer hier grandios mit seinem jüngs- ten Versagen als „Hulk“: Hek- tors Augen verdrehen sich ge- nervt nach oben, angewidert und mit einem qequälten Grun- zen wendet er sich ab. Superhel- den haben’s schwer, das steht den Übermännern deutlich ins Gesicht geschrieben. Zum Höhepunkt gerät – di- gitale Massenschlachten hin, Trojanisches Pferd her – letzt- lich das Zusammentreffen der beiden Helden in einem einsa- men Zweikampf vor den Toren Trojas. Achilles hat sich inzwi- schen in die gottesfürchtige Trojanerin Briseis (Rose Byrne) verliebt. Mit dem zynischen Spruch „Die Götter sind nei- disch auf uns, weil wir sterblich sind“, beeindruckt er sie mäch- tig, vergisst dabei aber offenbar, dass er selbst nur erneut in den Krieg zog, um Unsterblichkeit zu erlangen. Ähnlich ambivalent rumort es in Hektor, dem Bodenständi- gen, der eigentlich nur noch ein beschauliches Leben als braver Familienvater im Sinn hat, aber stattdessen erst seinen feigen Bruder Paris vor dem Zorn Me- nelaos’ beschützen muss und dann auch noch Troja vor der Griechenhorde retten soll. Den einen rufen Pflicht und Vater- land, der andere will am Ende nur noch seinen von Hektor irr- tümlich ermordeten Vetter Pa- troclus (Garrett Hedlund) rä- chen. Gewalt und Rache ist alles, worauf der gefühlskalte Killer als Erwiderung zurück- greifen kann. Vereint in ihrer Resignation liefern sich die bei- den ein zerstörerisches Duell, bei dem einer den Kürzeren zieht. Der andere folgt – man weiß es ja – am Ende nach, wenngleich weitaus unspekta- kulärer. Was bleibt? Tausende Tote, eine zerstörte Stadt, in der einst Zivilisation und Schöngeist herrschten, zwei Frauen, die ihre Geliebten betrauern, und die schöne Helena, die ganz modern zu ihrem Paris, dem einzigen Überlebenden der Männerriege, sagt: „Ich will kei- nen Helden, sondern einen Mann, der für mich da ist.“ Recht hat sie. Krieg, das rieb uns Wolfgang Petersen ja auch schon einst beim „Boot“ unter die Nase, ist zwar menschlich, aber sinnlos. „Troja“ indes ist ein unter- haltsames und handfestes Pop- corn-Event, dem man einige Längen und Pathos-schwangere Dialoge gerne verzeiht. Wer im Sandalen-Genre, wo Männer schwitzen undMuskeln glänzen müssen, auch noch nach ästhe- tischer Eleganz sucht, kann „Gladiator“ gucken. Oder Ho- mer lesen. QUELLE: http://www.spiegel.de/kultur/kino/wolfgang-petersens-troja-heldendaemmerung-a-299616.html ; (abgerufen am 20.05.2014) 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 246 248 250 252 254 256 258 260 262 264 266 268 270 272 Reflexion Medien Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=