sprachreif HAK/HTL 1, Schulbuch

88 Wolfgang Petersens „Troja“: Heldendämmerung Von Andreas Borcholte | 13.05.2004 Der deutsche Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen verwandelte Homers „Ilias“ in pralles Popcorn- Kino. „Troja“ besticht allerdings kaum durch seine opulenten Schauwerte, sondern funktioniert vor allem als Psychogramm zweier frustrierter Superhelden. Es ist schon ein Kreuz mit die- sen Super-Söldnern. Griechen- könig Agamemnon steht auf dem Schlachtfeld und braucht nichts dringender als seinen Jo- ker, den unbesiegbaren Me- ga-Killer Achilles, der ihm mal wieder die Kastanien aus dem machtgierig entfachten Kriegs- feuer holen soll. Der blonde Beau liegt aber leider noch in den Federn, zugedeckt von ei- ner lieblichen Bettdecke aus nackten Frauenleibern, und raunzt den herbeigeeilten Boten missmutig an, er würde den blöden Krieg schon noch früh genug gewinnen. Tut er dann auch. Dem hü- nenhaften Krieger, den die Ge- genseite ins Feld geschickt hat, springt er locker flockig entge- gen und rammt ihm ein Schwert in den Nacken. Eine Sache von Sekunden: Krieg gewonnen, Griechen glücklich, König mächtiger als je zuvor. Nur Achilles selbst wirkt irgendwie immer noch schlecht gelaunt. Diese durchaus amüsante Se- quenz eröffnet einen der teuers- ten Hollywood-Filme seit „Tita- nic“. Knapp 200 Millionen Dollar durfte der deutsche Re- gisseur Wolfgang Petersen ver- jubeln, um die klassischste aller Tragödien zu verfilmen. […] Lange lag der Plan, Homers Heldensage zu verfilmen, auf den Schreibtischen der Hol- lywood-Bosse herum, doch kei- ner traute sich so recht an den pompösen Antikengesang her- an. Erst als der für seine Arbeit an Spike Lees New-York-Me- lodram „25th Hour“ zu Recht gelobte Autor David Benioff ein Skript vorlegte, das mehr Zwi- schenmenschliches als Schlach- tengetümmel verhieß, kamen die Mühlen in Gang. Auch Pe- tersen, der für Warner Bros. ei- gentlich zwei ganz andere Su- perhelden gegeneinander antreten lassen sollte, ließ sich nun bereitwillig von der Pla- nung des Comic-Spektakels „Batman vs. Superman“ weg- locken. Das kürzlich in Berlin urauf- geführte Historien-Spektakel „Troja“ erzählt zunächst die alt- bekannte Story: Der junge Tro- janerprinz Paris (Orlando Bloom) verliebt sich in die Frau des Spartaner-Königs Menelaos (Brendan Gleeson) und ent- führt sie in seine Heimatstadt. Sehr zum Unmut seines älteren Bruders Hektor (Eric Bana), ei- nem erfahrenen Krieger, der ahnt, dass Paris’ ungestümer Akt wohl Ärger geben wird. Menelaos nämlich ist wiederum der Bruder des Griechen-Herr- schers Agamemnon (Brian Cox), der − siehe oben − schon lange auf eine Gelegenheit war- tete, seinem Riesenreich auch Troja einzuverleiben. Flugs sind 1000 Galeeren mit Soldaten be- füllt und das ganze Griechen- heer nimmt Kurs auf die idylli- sche Stadt am Bosporus, wo König Priamos (Peter O’Toole) nichts ahnend den Ruhm seiner angeblich uneinnehmbaren Stadtmauern genießt. Petersen und Benioff ver- zichteten auf die Einbindung der griechischen Götter als eitle Schicksalsgeber (Petersen: „Wer hätte denn die Götter spielen sollen? Woody Allen? Oder Dennis Hopper?“) und konzen- trierten sich ganz auf die uni- verselle Geschichte von Liebe, die Krieg gebiert und Gewalt, die Gegengewalt erzeugt. Dabei verneigt sich der Regisseur nicht nur ausgiebig vor den Meistern des Monumentalfilms und lässt Peter O’Toole mit auf- gerissenen Lawrence-von-Ara- bien-Augen auf die brennende Stadt starren, er zitiert auch fröhlich die Pioniere des Sanda- len-Genres, indem er Heerscha- ren von Komparsen mit Le- derröckchen, Pappschild und Plastikbrustpanzer ausstattet. Die Landung am Strand von Troja inszeniert Petersen hinge- gen wie einst Spielberg die Inva- sion der Alliierten am Omaha Beach, nur, dass die Griechen halt nicht als Befreier anlanden, sondern als imperialistische Sturmtruppen. Die Kritik am Gebaren der aktuellen US-Regierung im Irak, die Petersen in Interviews freimütig übt, kommt hier mehr oder minder 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 Reflexion Medien 3  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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