sprachreif HAK/HTL 1, Schulbuch
52 Das schaffst du nie! Von Judith E. Innerhofer | 17.01.2015 Will sie die Gesellschaft widerspiegeln, braucht die Polizei Migranten. Doch die österreichische Exeku- tive tut sich schwer mit ihnen – trotz gegenteiliger Beteuerungen. Die österreichische Polizei lernte Mladen Mija- tović in Traiskirchen kennen. Im Juli 1993, der Jugoslawienkrieg war im vollen Gang, strandete der damals sechsjährige Junge mit seiner kroati- schen Mutter in der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge südlich vonWien. Sie waren aus dem völlig zerstörten Sarajevo geflohen, der Vater, ein bosnischer Serbe, blieb im Kriegsgebiet. 35 Poli- zisten wachten in diesem Sommer über das La- ger, patrouillierten zwischen den Schlafhütten und notierten an der Eingangspforte jeden, der das Kasernenareal betreten und verlassen wollte. Als Flüchtling nach Traiskirchen zu kommen be- deutete Fingerabdrücke abgeben, Formulare ausfüllen, Fragen beantworten, kontrolliert wer- den. Mehr als zwei Jahrzehnte später sitzt der Ex-Asylwerber wieder bei der Polizei. Doch nicht als Delinquent, wie es sich zornige Wutbürger und rechte Populisten gerne ausmalen. Mladen Mija- tović trägt selbst die blaue Uniform der Geset- zeshüter. Aus dem Flüchtlingskind wurde ein Polizist. Ein grauer Wintermorgen in Wien-Meidling, Polizeiinspektion Hufelandgasse. Hinter einer zusätzlichen Sicherheitstür versteckt sich im ers- ten Stock das Referat Minderheitenkontakte. Es wurde 2010 geschaffen, mit dem Anspruch, das angeschlagene Verhältnis zwischen Polizei und Migranten zu verbessern. Im Flur weist ein Hin- weisschild, auf dem „Revierinspektor Mladen Mijatović“ steht, in ein enges Dienstzimmer lin- ker Hand, wo sich der heute 29-Jährige über den vielleicht langweiligsten Teil des Jobs bei der Po- lizei beugt: Protokolle. Solche von Gesprächen mit einem Imam zum Beispiel oder von Einsät- zen, bei denen ihn Kollegen von der Streife als Übersetzer zu Hilfe gebeten haben. „Natürlich macht es einen Unterschied, wenn ein Migrant wie ich Polizist ist“, sagt Mijatović dann – und zwar in astreinemWienerisch. Er spricht schnell und überzeugend. InWien-Favoriten, einem Be- zirk mit hohem Migrantenanteil, wird er immer wieder gerufen. Jüngst etwa bei einem Notruf wegen Gewalt in der Familie. Die Stimmung sei geladen gewesen, erzählt Mijatović, und der Tä- ter vom Eintreffen der Polizei wenig angetan. Mijatović spricht ihn in seiner Muttersprache an, „und allein damit habe ich die Situation beru- higt“. Ob als Dolmetscher, Kulturvermittler oder Mili- eu-Experten: Spät, aber doch hat man auch in Österreich entdeckt, dass die Polizei Migranten in den eigenen Reihen braucht. Seit 2007 wirbt die Wiener Exekutive mit dem Slogan „Wien braucht Dich“ um sie. Ein Jahr später, nach den Nationalratswahlen 2008, folgte die Bundes- regierung der schon lange zuvor ausgesproche- nen Empfehlung des Europarates und schrieb die Agenda erstmals im Koalitionsvertrag fest. „Ja, wir wollen mehr Polizisten mit Migrationshin- tergrund“, heißt es bei der Wiener Polizei ebenso wie im Innenministerium. Nur: Polizisten wie Mladen Mijatović sind noch immer selten. Ei- nerseits, weil sich alte Muster zäh halten inner- halb dieser auf Hierarchie und uniforme Werte angelegten Organisation, in der sich Recht und rechts nicht immer klar trennen lassen. Und an- dererseits, weil sich Österreich insgesamt schwer mit seinen „Fremden“ tut. […] QUELLE: http://www.zeit.de/2015/03/polizei-migranten-oesterreich/seite-3 ; (abgerufen am 11.05.2016) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 Schreiben Sie den Auszug aus der Reportage Das schaffst du nie! in einen Bericht um. Beachten Sie, dass Sie ein Ereignis oder einen konkreten Anlass zu dieser Reportage erfinden, über den Sie berich- ten können. A15 Schreiben 2 Einen Zeitungsbericht schreiben Schritt 2: Verfassen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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