sprachreif HAK/HTL 1, Schulbuch
29 Kein Bock auf nen Date? Von Bastian Sick | 19.04.2006 Stimmt es, dass unsere Schriftsprache unaufhaltsam vor die Hunde geht? Tatsache ist: Nie wurden so viele Fehler gemacht wie heute. Aber die Menschen haben auch noch nie so viel geschrieben. In Wahr- heit ist unsere Schreibkultur höchst lebendig – dank E-Mail, Chat und SMS. Einige Menschen neigen dazu, die modernen Kommunikati- onstechniken zu verteufeln, weil sie den Niedergang unserer Sprachkultur begünstigen wür- den. Es lässt sich nicht leugnen, dass es in E-Mails und auf vie- len Internetseiten von Recht- schreibungsfehlern und Inter- punktionsmängeln nur so wimmelt. Und was gerade junge Menschen in die Tastatur ihrer Handys hacken, zeugt nicht sel- ten von gravierenden Missver- ständnissen der deutschen Or- thografieregeln. Man kann diese Entwick- lung aber auch anders bewer- ten: Internet, E-Mail und SMS ist es zu verdanken, dass sich heute mehr Menschen in schriftlicher Form äußern als jemals zuvor. […] Unsere Schriftsprache steht folglich nicht vor dem Niedergang – sie war noch nie so populär wie heute! Und es ist wie immer, wenn viele Köche gleichzeitig mitmischen: Jeder hat eine an- dere Vorstellung von der richti- gen Rezeptur. […] Menschen, die mit der Rechtschreibung Probleme ha- ben, hat es immer schon gege- ben. Sie fielen früher bloß nicht so auf, da ihnen die Technik fehlte, um ihre Probleme regel- mäßig unter Beweis stellen zu können. Wer eine Wohnung suchte, etwas zu verkaufen hatte oder eine neue Bekanntschaft machen wollte, der ging zur ört- lichen Zeitungsredaktion und gab eine Annonce auf. Diese Annonce wurde in der Regel re- daktionell bearbeitet, das heißt in Aufbau, Länge und Ausdruck dem üblichen Anzeigenstil an- gepasst und nach den gültigen Regeln der Orthografie gesetzt. Diese Möglichkeit besteht zwar noch immer, doch sie wird immer weniger genutzt und gilt vielen als antiquiert. Wer heute seinen Sperrmüll zu Geld ma- chen will, der gibt eine Anzeige im Internet auf – vorzugsweise auf den Seiten der Auktions- plattform Ebay. Dort sitzt kein nettes Fräulein mehr, dem er seine Anzeige diktieren kann; dort muss er alles selbst ma- chen: vomHochladen der Fotos bis zur Produktbeschreibung. Folglich ist Ebay eine Fundgru- be – nicht nur in sammelsuri- scher Hinsicht, sondern auch in orthografischer. Denn jeder schreibt eben so, wie er es für richtig hält. Und das hat be- kanntermaßen nicht immer viel mit dem zu tun, was im Duden steht. Als Suchender muss man das berücksichtigen. Wer zum Beispiel Modelleisenbahnen sammelt und eine spezielle Dampflokomotive sucht, tut gut daran, nicht nur mit dem Stich- wort „Dampflok“ zu suchen, sondern es auch noch mit „Dampflock“ zu probieren. Ei- nige Matratzen findet man schneller mit dem Suchwort „Matraze“, und wer Zubehör für 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 Sprachliche Entwicklungen durch neue Medien kritisch betrachten Änderungen im Sprachgebrauch – Droht ein Bildungsverfall? Es gibt eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Menschen, die der Meinung sind, durch „Netspeak“ (also Internetsprache) und SMS-Sprache verwahrlose die deutsche Sprache – es wird also befürchtet, die – wie auch immer definierte – Sprachkultur leide unter der Missachtung normativer Sprachregeln und die Schreibkompetenz nehme immer mehr ab. Darüber hinaus wird die zunehmende Zahl an Anglizismen in der deutschen Sprache kritisiert. Der deutsche Journalist Bastian Sick, durch seine sprachkritische Kolumne Zwiebelfisch bekannt geworden, äußerte sich dazu wie folgt: Reflexion Medien Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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