sprachreif HAK/HTL 1, Schulbuch

131 von schöner Gestalt, mittlerer Größe, die ein simples weißes Kleid, mit blass roten Schleifen an Arm und Brust, anhatte. Sie hielt ein schwar- zes Brot und schnitt ihren Kleinen rings herum jedem sein Stück nach Proportion ihres Alters und Appetits ab, gab’s jedemmit solcher Freund- lichkeit, und jedes rief so ungekünstelt sein „Danke!“, indem es mit den kleinen Händchen lange in die Höhe gereicht hatte, ehe es noch ab- geschnitten war, und nun mit seinem Abendbro- te vergnügt entweder wegsprang, oder nach sei- nem stillern Charakter gelassen davonging nach dem Hoftore zu, um die Fremden und die Kut- sche zu sehen, darin ihre Lotte wegfahren sollte. – „Ich bitte um Vergebung“, sagte sie, „dass ich Sie hereinbemühe und die Frauenzimmer war- ten lasse. Über dem Anziehen und allerlei Be- stellungen fürs Haus in meiner Abwesenheit habe ich vergessen, meinen Kindern ihr Vesper- brot zu geben, und sie wollen von niemandem Brot geschnitten haben als von mir.“ […] […] Das Gespräch fiel aufs Vergnügen am Tan- ze. – „Wenn diese Leidenschaft ein Fehler ist“, sagte Lotte, „so gestehe ich Ihnen gern, ich weiß mir nichts übers Tanzen. Und wenn ich was im Kopfe habe und mir auf meinem verstimmten Klavier einen Contretanz vortrommle, so ist al- les wieder gut.“ Wie ich mich unter dem Gesprä- che in den schwarzen Augen weidete – wie die lebendigen Lippen und die frischen, muntern Wangen meine ganze Seele anzogen – wie ich, in den herrlichen Sinn ihrer Rede ganz versunken, oft gar die Worte nicht hörte, mit denen sie sich ausdrückte – davon hast du eine Vorstellung, weil du mich kennst. Kurz, ich stieg aus dem Wagen wie ein Träumender, als wir vor dem Lusthause stille hielten, und war so in Träumen rings in der dämmernden Welt verloren, dass ich auf die Musik kaum achtete, die uns von dem erleuchteten Saal herunter entgegenschallte. […] QUELLE: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3636/1 ; (abgerufen am 01.05.2014) (an neue Rechtschreibung angepasst) Lesen Sie nun zum Vergleich einen nichtfiktionalen Text, nämlich eine Kurzbiografie über Johann Wolfgang von Goethe. Achten Sie besonders auf sprachliche Unterschiede in der Darstellung und notieren Sie sich, was Ihnen dabei auffällt. Goethes Leben Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) gilt bis heute als der bedeu- tendste deutsche Dichter, seine Werke zählen zu den Höhepunkten der Weltliteratur. Obwohl er auf Drängen seines Vaters hin Rechtswissenschaf- ten studiert, gilt seine Leidenschaft schon immer dem Schreiben. Doch Goethe kennt sich in allen Bereichen des Lebens und Wissens aus: Neben dem Dasein als Dichter ist er Künstler, Theaterleiter, Naturforscher, Kunsttheoretiker und Staatsmann. Goethes Leben ist geprägt von einem unstillbaren Hunger nach Wissen und leidenschaftlichen Verliebtheiten. Die unerfüllte Liebe zu der Verlobten eines Freundes inspiriert ihn dazu, Die Leiden des jungen Werther zu verfassen, wodurch er zum Vorreiter und wichtigsten Vertreter des Sturm und Drang wird. Durch den Briefroman erlangt Goethe außerdem in ganz Europa Bekanntheit. In späteren Jahren lernt Goethe Friedrich Schiller kennen. Die beiden Literaten beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Schaffen und arbeiten gemeinsam an Werken. Sie gelten als die wichtigsten Vertreter der Weimarer Klassik, die bis zum Tod Schillers 1805 dauert. Den zweiten Teil des Faust , zusammen mit Faust. Der Tragödie erster Teil wohl das bekannteste Werk Goethes, vollendet der Dichter erst kurz vor seinem Tod 1832. Das Universalgenie Goethe stirbt im hohen Alter von fast 83 Jahren und hinterlässt ein Erbe, das ihn unsterblich werden lässt. QUELLE: http://www.johann-wolfgang-goethe.de; (abgerufen am 01.05.2014) A17  52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 Lesen Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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