querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

61 Holocaust Der Genozid am armenischen Volk Das Osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat, der im 19. Jh. durch den Sultan absolut regiert wurde. Die Minderheit der christlichen Armenierinnen und Armenier lebte bereits seit dem 14. Jh. v. a. im dortigen Ostanatolien. Der Genozid 1915 an dieser Bevölkerungsgruppe steht im Zusammenhang mit dem türkischen Nationalismus und armenischen Unabhängigkeitsbestrebungen. 1908 kamen die sogenannten „Jungtürken“ an die Macht. Aufgrund innerer Spannungen sowie militärischer Niederlagen und Gebietsverluste ( Balkan- kriege ) radikalisierte sich ein Teil der Jungtürken. Nationalistische Ideen, gepaart mit der Vorstellung eines ethnisch-religiös einheitlichen Staates, gewannen die Oberhand. 1913 wurde eine Militärdiktatur errichtet, die auch gegen Armenierinnen und Armenier vorging, die deshalb Unterstützung u. a. bei Russland suchten. › Die wichtigste politische Partei der Jungtürken war die Ittihad-Partei („Komitee für Vereinigung und Fortschritt“). P Balkankriege: zwei Kriege der Staaten der Balkanhalb- insel 1912–1913, in denen das Osmanische Reich alle seine Gebiete am Balkan verlor › Die Mehrheit der arme- nischen Zivilbevölkerung war im Ersten Weltkrieg loyal gegenüber dem Osmanischen Reich eingestellt, doch einige nationalistische armenische Gruppen unterstützen Russ- land. Der Vorwurf der Kollabo- ration mit Russland traf aber das gesamte armenische Volk. Opfer des Völkermordes in Aleppo (Syrien), Foto, 1915 Hingerichtete Armenier in Aleppo (Syrien), Foto, 1916 Geografische Darstellung der Vorgänge zum Genozid an der armenischen Bevölkerung, um 1915 R U S S I S C H E S R E I C H O S M A N I S C H E S R E I C H P E R S I E N Syrische Wüste (Arabisches Stammesgebiet) Mittelmeer Schwarzes Meer Ankara (Angora) Yozgat Sivas Samsun Erzincan (Ersindschan) Trabzon (Trapezunt) Erzurum Mus (Musch) Sason (Sassun) Diyarbakir Der es-Sor Aleppo Antep (Aintab) Urfa Malataya Kayseri Adana Ras ul-Ain Damaskus Euphrat Tigris W e s t l E u p h r t Ö s t l E u p h r t Van See Urmia See Sewan See H d c h b h n B g d d b h n B g d d b h n it Mosul . a . a e s a a b a a a a a a a Maßstab 1:12 000 000 0 120 240 km Armenische Hauptsiedlungs- gebiete vor dem Beginn des Genozids Lagerplätze der Deportationskonvois Kontrollbüros der Deportationen und Massaker Konzentrations- und Vernichtungsorte Zugrichtungen der Deportationskonvois Armenische Fluchtrouten Staatsgrenzen zu Beginn des Ersten Weltkrieges Türkische Staatsgrenze Maßstab 1:12 000 000 0 120 240 km Armenische Hauptsiedlungs- gebiete vor dem Beginn des Genozids Lagerplätze der Deportationskonvois Kontrollbüros der Deportationen und Massaker Konzentrations- und Vernichtungsorte Zugrichtungen der Deportationskonvois Armenische Fluchtrouten Staatsgrenzen zu Beginn des Ersten Weltkrieges Türkische Staatsgrenze Im Ersten Weltkrieg erlitt die jungtürkische Regierung im Winter 1914/15 am Kaukasus und in Ostanatolien eine Niederlage mit schweren Verlusten gegen Russland. Die armenische Bevölkerung wurde der Kollaboration (Zusammen- arbeit) mit dem Feind (Russland) beschuldigt und es begann eine planmäßige Vernichtung der Armenierinnen und Armenier. Zuerst aus Ostanatolien, dann aus allen Teilen des Osmanischen Reichs wurde die armenische Bevölkerung in Lager in Wüstengebieten des heutigen Syrien deportiert. Man schätzt, dass rund 1,5 Millionen Menschen durch die Todesmärsche bzw. später in den Lagern an Hunger und Seuchen starben. Obwohl die historische Forschung und zahlreiche Staaten, darunter auch Österreich, die schrecklichen Geschehnisse als Völkermord anerkennen und verurteilen, spricht die türkische Regierung bis heute offiziell lediglich von tragischen Ereignissen in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg und bestreitet den Genozid. A12 Erkläre anhand der Karte und des Inputtextes die Geschichte Armeniens um 1900. Beurteile die Verwendung des Begriffs „Genozid“ im Zusammenhang mit den Ereignissen von 1915 im Osmanischen Reich. (HMK, HSK) M4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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