querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

58 Holocaust Täterinnen und Täter des NS-Regimes Das Gesetz zum Verbot der NSADP (Verbotsgesetz) und das Kriegsverbrecher- gesetz (beide 1945) bilden in Österreich die gesetzliche Grundlage zur Bestrafung von Personen, die während des Krieges gegen die Zivilbevölkerung oder gegen Angehörige einer Wehrmacht der Kriegsgegner ein Verbrechen begangen oder veranlasst haben. Dafür wurden in Wien, Graz, Linz und Inns- bruck sogenannte Volksgerichte eingerichtet. Sie überprüften rund 137.000 Fälle wegen des Verdachtes nationalsozialistischer Verbrechen bzw. einer illegalen NSDAP-Mitgliedschaft (1933–1938) und fällten 23.477 Urteile, davon 13.607 Schuldsprüche. Es gab 43 Todesurteile, 30 davon wurden vollstreckt. Nach Abzug der Alliierten Mächte und Abschaffung der Volksgerichte 1955 gab es nur mehr wenige Gerichtsprozesse zur Ahndung von NS-Gewaltverbrechen (35 Prozesse bis 2006). Heute werden die häufig milden Urteile, Freisprüche bzw. Verfahrensabbrüche in den Kriegsverbrecherprozessen stark kritisiert. NS-Täterinnen und -Täter am Beispiel Adolf Eichmann Aufgrund der intensiven Nachforschungen von Simon Wiesenthal konnte u. a. Adolf Eichmann gefasst werden, er war einer der Hauptverantwortlichen bei der Planung, Organisation und Ausführung des Holocaust. Eichmann war zunächst Leiter der 1938 errichteten „Zentralstelle für jüdische Auswande- rung“ in Wien; dort mussten verfolgte Jüdinnen und Juden um eine Ausreise- genehmigung ansuchen, um Österreich verlassen zu können. 1939 übernahm er die „Reichszentrale für jüdische Auswanderung“ in Berlin und später die Planungen für die Deportation der jüdischen Bevölkerung in Ghettos und Vernichtungslager im Osten (Polen). Nach dem Krieg konnte er, wie etliche andere NS-Verbrecherinnen- und -verbre- cher auch, unter falschem Namen nach Argenti- nien fliehen. Er fand dort Arbeit als Elektriker und konnte sogar seine Familie nachholen. 1960 spür- te Wiesenthal ihn auf und er wurde nach Israel gebracht. In einem aufsehenerregenden Prozess mit 15 Anklagepunkten in Jerusalem wurde er 1961 zum Tod verurteilt. Bis zuletzt wies Eichmann jegliche Schuld bzw. Verantwortung von sich, er berief sich auf Befehle von Vorgesetzten. P Volksgerichte: nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein- gerichtete außerordentliche Gerichtshöfe zur Ahndung von NS-Verbrechen O Demokratie, S. 15 ee64dd Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) Simon Wiesenthal, Foto, 1979 P Simon Wiesenthal: (1908– 2005); Architekt und später Publizist österreichisch- jüdischer Herkunft; ab Mai 1941 in verschiedenen Konzen- trationslagern inhaftiert, im Mai 1945 aus dem KZ Maut- hausen befreit. Nach dem Krieg begann Wiesenthal nationalsozialistische Ver- brecherinnen und Verbrecher auszuforschen. Er wollte sie vor ordentliche Gerichte bringen, um jene zur Verant- wortung zu ziehen, die an der planmäßigen Vernichtung der Jüdinnen und Juden mitge- wirkt hatten. Sein Handeln war geleitet von dem Grund- satz, „Recht, nicht Rache“ üben zu wollen. Wiesenthal war ein ständiger Mahner, die Verfolgung von NS-Täte- rinnen und Tätern nicht zu vernachlässigen. Durch seine Ausforschungen entstand ein Dokumentationsarchiv, das sich heute in Wien befindet. Adolf Eichmann (1906–1962, hingerichtet) vor Gericht in Israel, Foto, 1961 Ich erkläre nochmals wie bereits vor Gericht geschehen: ich verabscheue die an den Juden begangenen Gräuel als größte Verbrechen und halte es für ge- recht, dass die Urheber solcher Gräuel jetzt und in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden. Es ist dabei aber die Grenze zu ziehen zwischen den verant- wortlichen Führern und den Personen, die, wie ich, lediglich Instrument der Führung sein mussten. Ich war kein verantwortlicher Führer und fühle mich daher nicht schuldig. Gnadengesuch Adolf Eichmanns vom 29.5.1962 A9 Arbeite die Argumentation von Eichmann in seinem Gnadengesuch in Bezug auf seine persönliche Schuld als Kriegsverbrecher heraus. Beurteile seine Haltung in Bezug auf seine Verantwortung für den Völker- mord an den Jüdinnen und Juden. (HMK) M7 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum es Verlags öbv

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