querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

54 Holocaust Der Holocaust an den Romnija und Roma Vor 1938 lebten schätzungsweise 11.000 Romnija und Roma in Österreich, die größte Gruppe bildeten die Burgenland-Roma mit ca. 8.000 Menschen. Die Ausgrenzung und Verfolgung der abschätzig als „Zigeuner“ bezeichneten Menschen begann in Österreich nicht erst mit dem Nationalsozialismus, sondern reicht Jahrhunderte zurück. In der wirtschaftlichen Not der Ersten Republik stieg die Feindseligkeit gegenüber den ohnedies stark unter der Armut leidenden Roma an. Besonders im Burgenland schürten Politik und Presse den Hass auf die „Zigeuner“. Man bezeichnete sie als asozial, arbeits- scheu und kriminell und sprach von einer „Zigeunerplage“. In einer „Zigeuner- kartothek“ wurden alle Roma ab dem 14. Lebensjahr von der Polizei mit Fotos und Fingerabdrücken erfasst. Nach der NS-Rassenideologie galten Romnija und Roma als „rassisch minder- wertig“, als „asozial“ und „kriminell“. Sie wurden im Deutschen Reich schrittwei- se entrechtet und ihrer Lebensgrundlage beraubt, bis sie in Vernichtungslager deportiert wurden. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ 1938 wurden einige tausend österreichische „Zigeuner“ verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Als „Zigeuner“ geltende Personen wurden enteignet, verloren die Reichsbürgerschaft, erhielten Berufs- und Eheverbot und Kinder bekamen Schulverbot. 1939 wurden noch nicht inhaftierte Personen, die als „Zigeuner“ galten, in eigens errichtete Zwangsarbeitslager eingewiesen. Das größte österreichische „Zigeunerlager“ war Lackenbach im Burgenland. Auf einem Gutshof mussten die Inhaftierten in ehemaligen Viehställen auf Strohlagern und ohne sanitäre Einrichtungen leben. Trotz schlechtester Ernäh- rung mussten sie Zwangsarbeit leisten (z. B. auf lagereigenen Feldern und im Sägewerk bzw. beim Autobahn- und Straßenbau, in Fabriken, auf Bauernhöfen). Ziel der NS-Mordpolitik war es, die Minderheit der Romnija und Roma vollständig zu vernichten. Massendeportationen in die Vernichtungslager Ab 1940 begannen im Deutschen Reich Massendeportationen in das besetzte Polen. 1941 wurden 5.000 österreichische Romnija und Roma, die Hälfte davon Kinder und Jugendliche, in das Ghetto Łód´z (Polen) deportiert und ermor- det. Ab Februar 1943 wurden aus fast ganz Europa rund 23.000 als „Zigeuner“ geltende Personen nach Auschwitz-Birkenau deportiert, darunter auch weitere 2.900 Menschen aus Österreich („Auschwitz-Erlass“). Etwa eine halbe Million europäische Romnija und Roma wurden ermordet. Auch von den öster- reichischen Romnija und Roma überlebte nur ein geringer Teil den Holocaust, vermutlich gab es nur 1.500 bis 2.000 Überlebende. P „Zigeuner“: leitet sich vermutlich vom griech. Wort „Athinganoi“ (Unberührbare) ab; verwendet als abwer- tender Begriff, schreibt nega- tive (z. B. Landstreicher, Diebe, Kinderstehler) oder roman- tisierende Vorurteile zu (z. B. ihre Musik); wird als Fremd- bezeichnung von Betroffenen zumeist abgelehnt › Josef Mengele war Lager- arzt im „Zigeunerlager“ in Auschwitz und missbrauchte Häftlinge für medizinische Versuche. Vor allem seiner „Zwillingsforschung“ fielen zahlreiche Roma-Kinder sowie jüdische Kinder zum Opfer. Mahnmal in Lackenbach für internierte und deportierte Romnija und Roma, Foto, 2012 O Erinnerungskultur, S. 142 ff. › Der 8. April ist der inter- nationale Roma-Tag, begangen seit der Gründung des Interna- tionalen Romani-Kongresses (RIC) in London 1971. 2ts2yb Lernwebsite Genozid an den europäischen Romnija und Roma Roma-Zwangsarbeiter, Bau der Pinkafelder Straße, Burgenland, Foto, 1938 A5 Benenne anhand des Textes Verfolgungsschritte gegen Romnija und Roma. Recherchiere im Internet die Entstehung des Mahnmals in Lackenbach und die Abhaltung von Gedenkfeiern (Begriffe: Lackenbach, Mahnmal, Roma). Recher- chiere zu Gedenkfeiern auch mithilfe des Internetlinks in der Randspalte. Überprüfe anhand deiner Erkenntnisse die Wahrnehmung heute bezogen auf Romnija und Roma als Opfer der NS-Verfolgung. (HMK) T2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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