querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

4 So arbeitest du mit „querdenken – Geschichte und Politik“ Dieses Schulbuch ist in neun Großkapitel (Module) gegliedert. Zur besseren Unterscheidbarkeit ist jedes Modul in einer anderen Farbe gehalten. Ein Modul besteht aus einer Auftaktseite, einem Inputteil, einem Übungsteil und einer Portfolioseite. Modulauftaktseite Die Einstiegsseite informiert über die im Modul behandelten Basis- konzepte und beschreibt Inhalte und Ziele des jeweiligen Moduls. Neben der Modulüberschrift fin- dest du einen Verweis auf einen Online-Code mit weiterführenden Informationen. Um dorthin zu gelangen, gib den Code einfach in das Suchfeld auf www.oebv.at ein. In der Zeitleiste kannst du wich- tige Ereignisse und Jahreszahlen nachlesen, die im Modul behan- delt werden. Zeitleiste 137 Geschichtskulturen – Erinnerungskulturen – Erinnerungspolitik Basiskonzept: Konstruktivität FürStaatundGesellschaft istdieErinnerunganbestimmtewichtige DatenoderEntwicklungen zurRekonstruktion vonVergangenheit sehr wichtig.DennGeschehnisse,andie sichniemandmehrerinnert,geraten in Vergessenheit. IndiesemModulbeschäftigstdudichu.a.mitderöffentlichenErinnerung andenHolocaust,mitDenkmälern fürdieOpferdesNationalsozialismus sowiemitGedenkstätten inÖsterreichund in Israel.Du setztdichauch damitauseinander,wieGeschichteundErinnerung fürbestimmte Zwecke wie z.B. fürdenTourismuseingesetztwerden. Duuntersuchst verschiedeneDarstellungenauf ihrenBezug zuden historischenQuellen.Dabei sollstduerkennen,dassdieKonstruktivität, alsoauswelchemBlickwinkelGeschichteerzähltwird,einegroßeRolle spielt.Dubeschäftigstdichauchmit lokalenund regionalenBezügendes ErinnernsundGedenkens. nb5j7m Tod vonKaiserin Elisabethnacheinem Attentat inGenf (Schweiz) 1898 Tod vonKaiser Franz Joseph I. 1916 AusrufungderErsten RepublikÖsterreich 12.Novem­ ber 1918 „Anschluss“anNS- Deutschland 1938 MoskauerErklärung 1943 BefreiungdesKZ Mauthausen 5.Mai 1945 EröffnungderKZ- GedenkstätteMaut- hausen 1949 Errichtungder GedenkstätteYad Vashem, Israel 1953 Unterzeichnungdes österreichischen Staatsvertrages 15.Mai 1955 Einführungdes österreichischen Nationalfeiertagsam 26.Oktober 1965 „Waldheim-Debatte“ ab 1986 MahnmalgegenKrieg und Faschismus,Wien 1988 FalldesEisernen Vorhangs 1989 Erklärungüberdie Mitverantwortung ÖsterreichsanNS- Verbrechen 8. Juli 1991 EU-BeitrittÖsterreichs 1995 Holocaust-Mahnmal amWiener Judenplatz 2000 Mahnmal fürdieOpfer desSpiegelgrunds undEinrichtungeiner Gedenkstätte imOtto- Wagner-Spital 2003 Denkmal fürdie ermordeten Juden Europas,Berlin 2005 Denkmal fürdie VerfolgtenderNS- Militärjustiz,Wien 2014 Mahnmal fürdieOpferdesSpiegelgrunds,Otto-Wagner-SpitalWien,Foto,2011 AufdemArealdesOtto-Wagner-Spitals inWienwurde 2003einMahnmal eingeweiht,dasder systematischenErmordung vonKindernund Jugendlichen imRahmender „Euthanasie“-Morde inderKinderfachabteilung „AmSpiegel- grund“währendderNS-Zeitgedenkt.ZurErinnerungandiehierermordeten Kinderund Jugendlichen strahlen vordemGebäude772 Lichtsäulen. ImOtto- Wagner-Spitalwurde zusätzlichnocheineGedenkstätteeingerichtet. Basiskonzepte Modulziele Online-Code Modultitel Inputseiten Diese Seiten geben dir einen Überblick über wichtige Inhalte im Modul. Manche dieser Seiten sind mit dem Wort „extra“ gekennzeich- net. Sie bieten vertiefende Infor- mationen zum jeweiligen Kapitel. In den blauen Kästchen findest du Arbeitsaufträge, um bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten (Kompetenzen) zu trainieren. Die Abkürzungen der jeweiligen Kom- petenzen sind immer angegeben. Wenn du mit einer Methodenkarte (M) oder Technikkarte (T) arbei- ten sollst, wird das ausgewiesen. Auf manchen Seiten gibt es eine Infobox mit den Basiskonzepten, die dir helfen, historische und poli- tische Zusammenhänge zu verste- hen und einzuordnen. Die Informa- tionsspalten am Rand enthalten Begriffserklärungen und bieten zusätzliche interessante Informatio- nen. Hinzu kommen Seitenverweise auf verwandte Themen innerhalb des Buches und Online-Codes. Modulkurzbezeichnung Inputtext Arbeitsaufträge Kompetenz Verweise Methodenkarte oder Technikkarte Basiskonzept Informationsspalte Lexikon Zusatz- information Seitenverweis Quellentext 59 58 Holocaust Holocaust Täterinnen und Täter des NS-Regimes DasGesetz zumVerbotderNSADP (Verbotsgesetz)unddasKriegsverbrecher­ gesetz (beide 1945)bilden inÖsterreichdiegesetzlicheGrundlage zur Bestrafung vonPersonen,diewährenddesKriegesgegendieZivilbevölkerung odergegenAngehörigeeinerWehrmachtderKriegsgegnereinVerbrechen begangenoder veranlassthaben.Dafürwurden inWien,Graz,Linzund Inns- bruck sogenannte Volksgerichte eingerichtet.Sieüberprüften rund 137.000 FällewegendesVerdachtesnationalsozialistischerVerbrechenbzw.einer illegalenNSDAP-Mitgliedschaft (1933–1938)und fällten 23.477Urteile,davon 13.607Schuldsprüche.Esgab43Todesurteile,30davonwurden vollstreckt. NachAbzugderAlliiertenMächteundAbschaffungderVolksgerichte 1955gab esnurmehrwenigeGerichtsprozesse zurAhndung vonNS-Gewaltverbrechen (35Prozessebis 2006).HeutewerdendiehäufigmildenUrteile,Freisprüche bzw.Verfahrensabbrüche indenKriegsverbrecherprozessen stark kritisiert. NS-Täterinnenund -TäteramBeispielAdolfEichmann Aufgrundder intensivenNachforschungen von SimonWiesenthal konnte u.a.AdolfEichmanngefasstwerden,erwareinerderHauptverantwortlichen beiderPlanung,OrganisationundAusführungdesHolocaust.Eichmannwar zunächst Leiterder 1938errichteten „Zentralstelle für jüdischeAuswande- rung“ inWien;dortmussten verfolgte Jüdinnenund JudenumeineAusreise- genehmigungansuchen,umÖsterreich verlassen zu können. 1939übernahmerdie „Reichszentrale für jüdischeAuswanderung“ inBerlinund später diePlanungen fürdieDeportationder jüdischen Bevölkerung inGhettosundVernichtungslager imOsten (Polen).NachdemKrieg konnteer,wie etlicheandereNS-Verbrecherinnen-und -verbre- cherauch,unter falschemNamennachArgenti­ nienfliehen.Er fanddortArbeitalsElektrikerund konnte sogar seine Familienachholen. 1960 spür- teWiesenthal ihnaufunderwurdenach Israel gebracht. IneinemaufsehenerregendenProzess mit 15Anklagepunkten in Jerusalemwurdeer 1961 zum Tod verurteilt.Bis zuletztwiesEichmann jeglicheSchuldbzw.Verantwortung von sich,er berief sichaufBefehle vonVorgesetzten. P Volksgerichte: nachEnde des ZweitenWeltkriegsein- gerichteteaußerordentliche Gerichtshöfe zurAhndung von NS-Verbrechen O Demokratie,S. 15 ee64dd WienerWiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) SimonWiesenthal,Foto, 1979 P SimonWiesenthal: (1908– 2005);Architektund später Publizistösterreichisch- jüdischerHerkunft;abMai 1941 in verschiedenenKonzen- trationslagern inhaftiert, im Mai 1945ausdemKZMaut- hausenbefreit.Nachdem KriegbegannWiesenthal nationalsozialistischeVer- brecherinnenundVerbrecher auszuforschen.Erwollte sie vorordentlicheGerichte bringen,um jene zurVerant- wortung zu ziehen,dieander planmäßigenVernichtungder Jüdinnenund Judenmitge- wirkthatten.SeinHandeln wargeleitet vondemGrund- satz, „Recht,nichtRache“ üben zuwollen.Wiesenthal warein ständigerMahner, dieVerfolgung vonNS-Täte- rinnenundTäternnicht zu vernachlässigen.Durch seine Ausforschungenentstandein Dokumentationsarchiv,das sichheute inWienbefindet. AdolfEichmann (1906–1962, hingerichtet) vorGericht in Israel,Foto, 1961 Icherklärenochmalswiebereits vorGerichtgeschehen: ich verabscheuedie anden JudenbegangenenGräuelalsgrößteVerbrechenundhaltees fürge- recht,dassdieUrheber solcherGräuel jetztund inZukunft zurVerantwortung gezogenwerden.Es istdabeiaberdieGrenze zu ziehen zwischenden verant- wortlichen FührernunddenPersonen,die,wie ich, lediglich Instrumentder Führung seinmussten. Ichwar kein verantwortlicher Führerund fühlemich dahernicht schuldig. GnadengesuchAdolfEichmanns vom 29.5.1962 A9 ArbeitedieArgumentation vonEichmann in seinemGnadengesuch in Bezugauf seinepersönlicheSchuldalsKriegsverbrecherheraus. Beurteile seineHaltung inBezugauf seineVerantwortung fürdenVölker- mordanden Jüdinnenund Juden. (HMK) M7 Mittäterinnen und Mittäter Verführung zurMittäterschaft DieNS-HerrschaftberuhteaufGewalt,UnterdrückungundTerror.Dennoch funktioniertederNationalsozialismusnichtnurdurchZwang.MitHilfederPro­ paganda inszeniertemandie rassistischeundantisemitischeNS-Ideologieals verführerisches „Erlebnisangebot“,das für regimetreueBürgerinnenundBür- gereiniges zubietenhabe.DieGleichschaltungwurde sehrpositivdargestellt: Sie förderedieGemeinschaft, schaffeArbeitsplätzeundbiete interessante Freizeitangeboten ( KdF ).MedienwieParteizeitungen,PlakateunddasRadio (Volksempfänger)wurden zurMobilisierungderBevölkerung imnationalso- zialistischenSinngenutzt.DasReichsministerium fürVolksaufklärungund Propaganda,geleitet von JosephGoebbels,überwachteRundfunk,Presse,Film, Theaterunddie „Volkserziehung“ imAllgemeinen.DieNS-Propaganda ver- suchtebis zurmilitärischenNiederlage imMai 1945denGlauben zuerwecken, dassderNationalsozialismuseinebeispielloseErfolgsgeschichte sei.Viele MenschennahmendiesePropagandaalsWahrheitanund sahendieGräuel- tatenderNS-Diktaturnichtbzw.wolltendiesenichtwahrhaben. IhreSichtwei- se (Perspektive)war stark vondernationalsozialistischenWeltanschauung beeinflusst.Siewurdendadurch zuMitläuferinnenundMitläufern.Denunzian­ tinnenundDenunzianten zeigten regimekritischeMitbürgerinnenundMitbür- ger skrupellosbeiderGestapoan.NebenderpolitischenÜberzeugung spiel- tendafüroftmalsauchpersönlicheGründe,wie z.B.NeidoderBesitzgier,eine Rolle.DieKonsequenzen fürdenunzierteMenschenwaren vielfachVerhaftung, GefängnisodergarKonzentrationslagerhaft.–Diebekannteösterreichische KinderbuchautorinChristineNöstlingererinnert sich: › DerVolksempfängerwar eineinfachesund kosten- günstigesRadio,das zurVer- mittlungdesNS-Gedanken- guteswesentlichbeitrug. KdF-Plakat,nach 1933 O Faschismus,S.30 Propagandaplakat fürden Volksempfänger, 1936 P KraftdurchFreude (KdF): nationalsozialistischepoliti- scheOrganisationmitdemZiel, dieFreizeitderdeutschenBe- völkerunggleichgeschaltet zu gestaltenund zuüberwachen A10 GibdieBedeutungderAussageChristineNöstlingers ineigenenWorten wieder. Erkläreanhandder InformationenunddesBasiskonzeptes,warum Menschen imDrittenReichdenNationalsozialismusunteranderenBlick- winkelnbetrachtethaben könntenalsMenschenheute. (HMK, HSK) M7 DasWortMauthausenkannte ich zwarnicht,denAusdruckKZaber sehrwohl. UnzähligeMalehörte ich ihn,wennmeineGroßmutterbeiderMilchfrauoder beimGreißleraufdieNazis schimpfte.Dannhießes,warnendgeflüstert,entwe- der ‚Redens Ihnennichtum IhrenKopf!‘oder ‚Sie reden Ihnennoch insKZ rein.‘ Nöstlinger,Gedenkfeier zurBefreiungMauthausens, 2015 BASISKONZEPT –PERSPEKTIVE HistorischesundpolitischesGeschehenwird immer vonbestimmtenStand- punktenundBlickwinkelnausbetrachtet.DiesePerspektiven sindbeispielswei- sedurchHerkunft,Religion sowiedurchpolitischeodergesellschaftlicheHinter- gründebeeinflusst.Umnichtein verfälschtesBildhistorischeroderpolitischer Entwicklungen zuerhalten, istesdemnachwichtig,unterschiedlicheAnsichten undPerspektiven zuerkennenund zuberücksichtigen.Außerdemmussman bedenken,dassDarstellungenderVergangenheit immerausder jeweiligen Zeit,also rückblickend,erfolgen.EinThemaunterverschiedenenGesichtspunk- ten zubehandeln,hilfteinseitigeoder verzerrendeDarstellungen zu vermeiden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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