querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

18 Demokratie Entwicklung der österreichischen Verfassung Eine Verfassung bildet die Rechtsgrundlage eines Staates. In ihr sind die Staatsform (z. B. Republik, Monarchie), der Aufbau des Staates (bundes- staatlich, zentralistisch), die Staatsorgane (z. B. Parlament, Präsidentin bzw. Präsident, Gerichte) und deren Aufgaben sowie die Stellung und Rechte der Bürgerinnen und Bürger festgeschrieben. Die österreichische Bundesverfassung Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) wurde im Oktober 1920 beschlossen. Es war das Ergebnis schwieriger Verhandlungen und wurde von den Parteien als größtmöglicher Kompromiss angesehen. Mit einigen Abänderungen ist das Gesetz bis heute in Kraft. Vier Grundsätze (Prinzipien) formen die öster- reichische Verfassung: • Demokratisches Prinzip Österreich ist eine demokratische Republik. Das Staatsvolk wählt das Staatsober- haupt, den Nationalrat, die Landtage und Gemeinderäte sowie seine Abgeordne- ten im EU-Parlament. Direkte Beteiligung am politischen Prozess ist möglich z.B. durch Volksabstimmung oder Volksbegehren. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen sich frei an der politischen Meinungsbildung und an Wahlen beteiligen können und die Möglichkeit haben, auch selbst politisch aktiv zu werden. • Republikanisches Prinzip Österreich ist eine Republik. Das Staatsoberhaupt ist auf Zeit gewählt. Seit der Verfassungsänderung 1929 wird die Bundespräsidentin bzw. der Bundes- präsident direkt vom Volk für sechs Jahre gewählt. Er oder sie kann höchstens einmal wiedergewählt werden. • Bundesstaatliches Prinzip Es findet eine Aufgabenteilung zwischen den neun österreichischen Bundeslän- dern und der gesamtstaatlichen Regierung statt. Über den Bundesrat wirken die Länder auch an der Gesetzgebung für den gesamten Bund mit, seine Mitglieder werden von den Landtagen entsendet. Das Bundes-Verfassungsgesetz legt die Zuständigkeiten von Bund und Ländern (sogenannte Kompetenzverteilung) fest. Darin wird bestimmt, wo es einheitliche Bestimmungen für ganz Öster- reich geben soll und welche Angelegenheiten je nach den Bedürfnissen in den Bundesländern unterschiedlich geregelt werden können. Alles, was in der Ver- fassung nicht ausdrücklich als Bundesangelegenheit festgelegt ist (z.B. Außen- politik, Gesundheitswesen), ist Landessache (z.B. Jugendschutz, Bauordnung). • Rechtsstaatliches Prinzip Die staatliche Verwaltung und Gerichtsbarkeit sind an die Gesetze gebunden und dürfen nur aufgrund von Gesetzen ausgeübt werden. Alle Gesetze müssen der Verfassung entsprechen. Der Verfassungsgerichtshof überprüft, ob Gesetze mit der Verfassung in Einklang stehen und wacht darüber, dass auch die öffentliche Verwaltung sich an die Gesetze hält. › Der Verfassungsrechtler Hans Kelsen gilt als „Architekt“ der österreichischen Bundes- verfassung, er hat sie ausfor- muliert. Der Sozialdemokrat Karl Renner und Michael Mayr von der Christlichsozialen Partei hatten ebenfalls großen Anteil an der Ausarbeitung. Beide hatten wichtige Ämter inne: Renner war Staatskanz- ler der Ersten Republik bis Juli 1920 und österreichischer Bun- despräsident von 1945–1950, Mayr war 1920–1921 erster Bundeskanzler Österreichs. Hans Kelsen, 1881–1973, Foto, 1971 Karl Renner, 1870–1950, Foto, um 1940 Michael Mayr, Foto, um 1920 A11 Gib die Grundprinzipien der Verfassung in eigenen Worten wieder. Erörtere, inwiefern diese Prinzipien für dich und dein weiteres Leben von Bedeutung sind. (AW, HOK) Nur zu Prüfzwec en – Eigentum des Verlags öbv

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