querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

157 Gesellschaftlicher Wandel Sozialpolitische Maßnahmen in der Zweiten Republik Im Jahr 1956 wurde ein umfangreiches Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eingeführt (Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung), das bis heute gilt und beinahe allen Österreicherinnen und Österreichern sozialen Schutz bietet. Besonders in der Ära unter der Regierung Bruno Kreiskys (1970–1983) wurden der Wohlfahrtsstaat ausgebaut. Als Ziel hatte man die Vollbeschäftigung, denn Erwerbstätigkeit galt als wichtige Grundlage, um Armut entgegenzuwirken. • Einführung der Gratisschulbuchaktion, der Schulfreifahrt, Abschaffung der Studiengebühren an den Universitäten (1970–1972). Die Maßnahmen führten zu einem österreichweiten Bildungsschub vor allem bei sozial Schwächeren. • Arbeitsrecht: Stärkung der Mitbestimmung in Betrieben (Betriebsrätinnen und Betriebsräte); Einführung der 40-Stunden-Woche; Erhöhung des jähr- lichen Mindesturlaubs (seit 1986 mindestens fünf Wochen) • Familienrechtsreform (1975–1978): mehrere Gesetze, u. a. rechtliche Gleich- stellung von Frauen und Männern in der Ehe • Karenzgeld: seit 1971 zählt die Karenzzeit zu den Pensionsbeitragsjahren, seit 1974 hat jede Arbeitnehmerin Anspruch auf Karenzgeld; Einführung eines zweiten Karenzjahres 1990 und Elternkarenz auch für Männer; 2002 Einführung einer Kinderbetreuungspauschale für alle sozialversicherten Eltern (also auch Selbstständige, Studierende etc.); seit 2008 gibt es mehrere Varianten für den Bezug des Kindebetreuungsgeldes. • Pflegegeld für pflegebedürftige Personen: eingeführt 1993; seit 2014 Möglichkeit einer Pflegekarenz bzw. einer Pflegeteilzeit für pflegende Familienangehörige • 2010: Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung (2019 in Sozial- hilfe umbenannt); sie soll ein Mindesteinkommen in Notlagen sichern. Diese staatlichen Unterstützungen verringern nicht nur Einkommensungleich- heiten, sondern sie sind auch eine Maßnahme gegen die Gefährdung durch Armut und Ausgrenzung. Gäbe es in Österreich keine Sozialleistungen, wäre eine weitaus größere Gruppe der Bevölkerung von Armut bedroht. Wohnen/Soziale Ausgrenzung Invalidität/Gebrechen Hinterbliebene Arbeitslosigkeit Familie/Kinder Krankheit/Gesundheitsversorgung Alter 44 % 3 % 26 % 10 % 6 % 6 % 6 % A6 Analysiere die Daten der Statistik. Nenne Auffälligkeiten. Befrage deine Eltern über Sozialleistungen, die eure Familie erhält. Beurteilt den Wert der Unterstützungen für euer Leben heute und in Zukunft. (PMK, PUK) M13 Sozialausgaben 2017. Wie hoch sind die Anteile der Bereiche, für die Sozialleistungen verwendet werden? Quelle: STATISTIK AUSTRIA, ESSOS (Stand: 14.11.2018); Rundungs- differenzen wurden nicht ausgeglichen. › Erste Mutterschutzbestim- mungen gab es in Österreich in den 1880er-Jahren (z.B. vierwö- chiges Beschäftigungsverbot und finanzielle Unterstützung für diese Zeit). Die Regelung galt anfangs nur für pflicht- versicherte Arbeiterinnen in Fabriken von Industrie und Ge- werbe (ca. 11%), aber nicht für Land- und Heimarbeiterinnen oder Hausgehilfinnen. 1921 wurden Heimarbeiterinnen und Hausgehilfinnen in die ge- setzliche Krankenversicherung aufgenommen und die finan- zielle Unterstützung auf sechs Wochen vor der Geburt erwei- tert. Eine einjährige Karenzzeit und das „Karenzurlaubsgeld“ wurden 1960 eingeführt. › Eine mittlerweile viel diskutierte Problematik in diesem Zusammenhang stellt die Finanzierung der Pensionen dar, denn heute werden die Menschen durch- schnittlich älter, während die Geburtenzahl rückläufig ist. › 2016 waren laut Statistik Austria 18% der Bevölkerung armuts- oder ausgrenzungs- gefährdet. 2005 wurde die e-card der öster- reichischen Sozialversicherung eingeführt, Foto, 2018 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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