querdenken - Geschichte und Politische Bildung 4, Schulbuch

120 Politische Mitbestimmung Außerparlamentarische Mitbestimmung Neben den Wahlen bestehen in Österreich weitere Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung bzw. auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Es ist wichtig, dass du diese kennst, damit du bei Themen, von denen du jetzt oder in Zukunft betroffen bist, ein politisches Urteil fällen und mitgestalten kannst. Für ein politisches Anliegen kann im Parlament eine Petition (schriftlich) eingebracht werden, allerdings nur von Abgeordneten zum Nationalrat oder Mitgliedern des Bundesrats. Petitionen können von allen, die in Österreich wahlberechtigt sind, unterschrieben werden, auch elektronisch. Eine parla- mentarische Bürgerinitiative ermöglicht es, dass Staatsbürgerinnen und -bürger konkrete Anliegen in den Nationalrat einbringen können. Dafür benötigt man mindestens 500 Unterschriften von wahlberechtigten Bürge- rinnen und Bürgern, diese können auch online geleistet werden. Petition wie Bürgerinitiative werden in einem sog. „Ausschuss“ behandelt, jedoch entsteht daraus nicht automatisch ein Gesetzesvorschlag. Mit dem Instrument des Volksbegehrens können Bürgerinnen und Bürger erreichen, dass ein politisches Anliegen, für das der Bund zuständig ist, im Nationalrat behandelt wird. Sie können damit selbst ein Gesetzgebungs- verfahren einleiten. Das Anliegen muss genau beschrieben werden und es sind mindestens 100.000 Unterschriften von in Österreich wahlberechtigten Personen nötig. Ein Volksbegehren wird bei einer Behörde (z. B. Bezirks- oder Gemeindeamt) unterschrieben. Der Inhalt eines Volksbegehrens ist für den Na- tionalrat rechtlich aber nicht bindend, aus einer solchen Initiative entsteht also nicht automatisch ein Gesetz. Ebenso nicht bindend ist eine Volksbefragung. Bei dieser kann der Nationalrat die Meinung der Bürgerinnen und Bürger als Grundlage für eine Entscheidung einholen. Die Volksbefragung wird in einer geheimen Wahl durchgeführt und alle, die in Österreich stimmberechtigt sind, können daran teilnehmen. Bei einer Volksabstimmung stimmen Bürgerinnen und Bür- ger mit „ja“ oder „nein“ darüber ab, ob ein bestimmtes Gesetz eingeführt werden soll oder nicht. Ist eine Gesamtänderung der Bundesverfassung geplant, so muss in Österreich in jedem Fall eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Stimm- berechtigt sind alle wahlbe- rechtigten Bürgerinnen und Bürger. Das Instrument der Volksabstimmung kommt nur bei sehr wichtigen Angelegenheiten zur Anwendung und das Ergebnis ist rechtlich bindend. Seit 1945 gab es erst zwei Volksabstimmungen: 1978 sprach sich die öster- reichische Bevölkerung in einer Volksabstimmung gegen die friedliche Nut- zung der Kernkraft (Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf) aus und 1994 stimmten die Bürgerinnen und Bürger dafür, dass Österreich der Europäischen Union beitritt. › Die Auseinandersetzung um das Atomkraftwerk Zwentendorf ist zentral für die Demokratiegeschichte Öster- reichs. Durch das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern entstand eine österreichweite Initiative von Atomkraftwerks- gegnerinnen und -gegnern. Der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) setzte sich vehement für eine Inbe- triebnahme ein. Aufgrund der breiten Protestbewegung ließ der Nationalrat eine Volksab- stimmung durchführen. Hinweistafel auf ein Eintragungs- lokal für das Frauenvolksbegehren, Foto, 2018 Bundeskanzler Bruno Kreisky nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernkraft, Foto, 5. November 1978 y2k8ax Übersicht über Volksbegehren 66n2cn Erster Wiener Protestwanderweg Anti-Zwentendorf-Demonstration, Foto, 1978 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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