querdenken - Geschichte und Politische Bildung 3, Schulbuch
72 Identitäten Nationalismus Begriffserklärung Viele Menschen sind stolz auf die eigene Nation, ihre Persönlichkeiten und ihre Geschichte. Dieser Nationalstolz kann zu Problemen führen, wenn gleichzeitig die Menschen von anderen Nationen als minderwertig angesehen werden. Man spricht dann von Nationalismus. Inklusiver (einschließender) Nationalismus hat vor allem im 19. Jahrhundert zur Vereinigung von Staaten geführt, wie etwa im Falle Italiens. Im Zuge der Dekolonisation war der Nationalismus ein Mittel zur Integration und half bei der Herstellung von staatlicher Identität. Exklusiver (ausschließender) Nationalismus führt hingegen zur Abgrenzung von anderen Staaten und Nationen. Dabei wird die eigene Nation als höher- wertig als die anderen angesehen. Im 20. Jh. hat diese Form des Nationalismus zum Zerfall von Staaten geführt, wie im Fall von Jugoslawien. Innerstaatlich kommt es zu einer Abwertung und Ausgrenzung von Gruppen, die als nicht zur Nation gehörig gelten (z. B. Minderheiten). Nationalismus heute In vielen Staaten Europas gewinnen nationalistische Gruppierungen und Parteien an Bedeutung. Das bringt eine Gefahr für die Demokratie mit sich, weil sich Nationalismus gegen die politische und gesellschaftliche Teilhabe von nationalen Minderheiten richtet. Nationalistinnen und Nationalisten ver- wenden in politischen Debatten oft den Begriff „Heimat“. Sie behaupten damit, dass nur die eigene Nation Schutz und Geborgenheit bieten könne. Oft wird argumentiert, dass man zuerst „auf sich“ schauen müsse, die eigene Nation sei wichtiger als andere. Supranationalismus gegen Nationalismus Die Europäische Union ist supranational ausgerichtet. Sie wurde gegründet, um nationalistisch motivierte Konflikte in Europa zukünftig zu verhindern. Die Nationalstaaten haben einige ihrer Rechte an die übergeordnete Institution abgetreten. Da nationalistische Gruppierungen einzelstaatliche Interessen durchsetzen möchten, lehnen sie die EU ab. Politikerinnen und Politiker der EU sprechen sich daher gegen eine nationalistische Politik aus. › Im Gegensatz zum Rassismus geht es beim Nationalismus nicht um die Unterscheidung anhand von biologischen Eigenschaften, sondern um die Unter- scheidung der nationalen Zugehörigkeit. › Der italienische Einigungs- prozess zwischen 1815 und 1870 wird als „Risorgimento“ bezeichnet. Nach demWiener Kongress wollten sich die Fürstentümer zu einem Natio- nalstaat zusammenschließen. 1861 wurde das Königreich Italien gegründet. 1870 wurden der Kirchenstaat erobert und Rom die neue Hauptstadt. › Der Nationalismus in den Teilrepubliken Jugoslawiens (Kroatien, Serbien, Slowenien etc.) hat 1991 einen Krieg ausgelöst. Jugoslawien zerfiel in eigenständige National- staaten. › Um das „Wir“-Gefühl und die Abgrenzung zu anderen zu fördern, wird oft auf trauma- tische Erfahrungen in der Geschichte zurückgegriffen. In Ungarn wird beispielsweise immer wieder auf den Vertrag von Trianon (1920) hingewie- sen, durch den Ungarn viele Gebiete verlor. O Konflikte, S. 110 A5 Nenne mögliche Gründe für die Entstehung von Nationalismus. Weise anhand von Textstellen nach, dass die Verfasserin und der Verfasser die EU vertreten. Arbeite einige Interessen heraus, die mit der Erklärung ausgedrückt werden. Nimm zu den Forderungen Stellung. (PUK) Die Europäische Union wurde auf den gemeinsamen Werten der Würde des Menschen, der Grundrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie sowie auf der Ablehnung des extremen Nationalismus aufgebaut. Wir dürfen diese Rechte und Freiheiten niemals als selbstverständlich ansehen […] Extremis- mus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass werden in Europa auch heute noch verbreitet […] Wir stehen entschlossen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grund- rechte in Europa und weltweit ein. In der Europäischen Union ist kein Platz für Extremismus, Intoleranz und Unterdrückung. Erklärung des Ersten Vizepräsidenten Timmermans und der Kommissarin Jourová, 2017 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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