querdenken - Geschichte und Politische Bildung 2, Schulbuch
103 Mittelalter Mittelalterliche Gesellschaftsordnung Sogenannte „Lehenspyramiden“, bei denen an obers- ter Stelle stets der König stand, darunter wenige Adelige und Geistliche, an unterster Stelle viele Mitglieder des Bauernstands, wurden in Epochen nach dem Mittelalter oftmals falsch interpretiert: Demzufolge sei die Bevölkerung das gesamte Mit- telalter hindurch streng in Stände eingeteilt gewe- sen. Die Gesellschaftsordnung jener Zeit ergab sich jedoch aus gegenseitigen rechtlichen Beziehungen und war daher vielschichtiger, als dies später oftmals dargestellt wurde. Die Darstellung des Mittelalters in streng voneinander getrennten Ständen entwickelte sich im 18. Jahrhundert und prägte lange Zeit die Vorstellung von der sozialen Ordnung jener Zeit. P Stände: gesellschaftliche Gruppen, die durch bestimmte Rechte und Pflichten klar von- einander getrennt sind P patriarchalisch: Männer kontrollieren soziale Bezie- hungen, herrschen in Familie und Gesellschaft Abbildung einer Gebärenden in einem Geburtsstuhl und Hebamme (Holzschnitt), aus: Eucharius Rösslin der Ältere: Der Swangeren Frauwen vnd Hebammen Rosengarten, um 1515 Ständeeinteilung, Holzschnitt, 15. Jh. A6 Nimm kritisch dazu Stellung, dass auf dem Holzschnitt Menschen von Gott in Stände eingeteilt werden. (HMK, HSK) Aber auch Quellen aus dem Mittelalter selbst, vor allem Gesetzestexte, zeigen mitunter das Bild von streng nach Ständen eingeteilten Menschen. Um die Gesellschaft des Mittelalters besser verstehen zu können, muss man die vielfältigen Lebensformen – auf den Burgen, in den Klöstern, am Land und in den Städten – näher betrachten. Der Bauernstand spielte beipielsweise eine wichtige Rolle, wie du folgender Quelle entnehmen kannst: Wenn eine Arbeit zu verrichten ist, wenn sie etwas zum Verbrauch haben wollen, so scheinen König und Priester eher die Sklaven der Knechte zu sein; denn der Herr wird vom Knecht ernährt, während er vermeint, ihn zu ernähren. Bischof Adalberto von Laon, 11. Jh. M7 A7 Gib den Inhalt der Textquelle in eigenen Worten wieder. Interpretiere die Aussage von Bischof Adalberto im Hinblick auf die Bedeutung des Bauernstandes. (HMK) Die Unterscheidung zwischen Unfreien und Freien stand nicht zwingend mit deren wirtschaftlicher Situation in einem Zusammenhang. Es gab sowohl arme Freie als auch wohlhabende Unfreie. Unfreie waren zu Abgaben und Frondiensten (S. 105) verpflichtet. Im Gegensatz zu Freien mussten sie für ihren Herrn aber nicht in den Krieg ziehen. Frauen im Mittelalter Die mittelalterliche Gesellschaft war stark patriarchalisch geprägt. Frauen mussten von einem Mann vertreten werden. Doch Ehefrauen halfen oftmals in Handwerksbetrieben oder Handelsgeschäften des Ehemanns mit und führten mitunter Aufsicht über die im Haus lebenden Gesellen und das Gesinde. Im Spätmittelalter bekamen bürgerliche Frauen in den Städten bestimmte Rechte, wie die Möglichkeit im Textilgewerbe zu arbeiten und Handel zu treiben. Heb- ammen und Krankenpflegerinnen genossen als Heilkundige hohes Ansehen. Vereinzelt spielten Frauen in der Politik und Kirche eine bedeutende Rolle, wie beispielsweise Hildegard von Bingen (Äbtissin). Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags z öbv
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=