Ex libris Latein-Lektüre, Trainingsband

26 Heiteres und Hintergründiges Die Schulbildung im alten Rom Hast du gewusst, dass… 1. die „Klassenzimmer“ im alten Rom dunkle, verrußte Räume waren – oft in irgendwelchen Baracken, in der Nähe des lauten Forums; manchmal nur durch einen Vorhang vom Straßenlärm getrennt? 2. manchmal sogar „outdoor“ unterrichtet wurde, d. h. auf Plätzen, in Säulenhallen oder sogar auf Straßenkreu- zungen? 3. das Brüllen der Lehrer und das laute Buchstabieren der Schüler oft in der ganzen Nachbarschaft zu hören war – ebenso die Schmerzensschreie, wenn die Schüler verprügelt wurden? 4. auch antike Schüler abgelenkt waren, nämlich durch Händler, die ihre Waren anpriesen, durch Straßenmusi- kanten oder durch Maultiertreiber, die über den Verkehrsstau fluchten? 5. Schulbildung Privatsache war, die von den Eltern bezahlt werden musste und nur selten von Sponsoren gefördert wurde? 6. die Zahlungsmoral vieler armer Eltern sehr schlecht war, sodass Lehrer als notorisch unterbezahlt galten? 7. der Unterricht sehr früh begann? („Du lieferst die Kinder den Lehrern aus, damit ihre zarten Hände grausame Schläge übers sich ergehen lassen“, sagte der Dichter Ovid über Aurora, die Göttin der Morgenröte.) 8. die Schulferien vermutlich nur wenige Tage im Jahr betrugen? (z. B. zu den Saturnalien, vom 17. bis 24. Dezember) 9. die meisten Kinder (Buben und Mädchen) in Rom und anderen Städten zumindest eine Grundschule besucht hatten, sodass es nur wenige Analphabeten gab? 10. es praktisch keine Schulbücher gab? (Sie waren zu teuer!) Man schrieb auf tabulae ceratae oder sprach Texte nach und lernte sie so auswendig. 11. man überhaupt sehr viel auswendig lernte, so z. B. das Zwölf-Tafel-Gesetz (das älteste römische „Gesetzbuch“ aus der Mitte des 5. Jh. v. Chr.), was schon Cicero auf die Nerven ging? 12. sich der Mathematik-Unterricht auf die Grundrechenarten beschränkte (manchmal kam noch das Prozent- rechnen dazu)? 13. das Sprichwort „Non scholae, sed vitae discimus” auf den Philosophen Seneca (vgl. Ex Libris, Latein – Text- band S. 109) zurückgeht, der seine Kritik am weltfremden Schulunterricht genau umgekehrt formuliert hat: „Non vitae, sed scholae discimus“ (Epistulae morales 106,12). Nach der Grundschule , dem ludus (7–11/12 Jahre), gab es die „Mittelstufe“ beim grammaticus (11/12–16 Jahre), wo man Griechisch lernte und die Klassiker (u. a. Vergil, Cicero) kennen- und auswendig lernte und die Texte nach grammatikalischen und inhaltlichen Gesichtspunkten (z. B. Mythologie) analysierte. Die dritte Bildungsstufe war die Ausbildung zum Rhetor (Redner) , vergleichbar mit der „Oberstufe“ mit einem anschließenden Kolleg. Zentrales Thema war die Rhetorik , die Redekunst, damit man Politiker (Senator, Beamter u. a.) oder Anwalt werden konnte. – Daneben lernte man noch die artes liberales (= die Künste, die ein freier Mensch lernen sollte – u. a. Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie, aber auch Geschichte). Lehrer und Schüler, Relief, Landesmuseum, Trier Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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