Ex libris Latein-Textband

97 Sokrates und die Philosophie | Formen der Lebensbewältigung Die Sokratische Wende In den „Tusculanae disputationes“ („Gespräche in Tusculum“) setzt sich Cicero (vgl. S.106) mit ethischen Fragestellungen auseinander. Ehe er auf Sokrates’ Wirken zu sprechen kommt, gibt er einen kurzen Überblick über die Geschichte der Philo- sophie: Sed ab antiqua philosphia usque ad Socratem, qui Archelaum a , Anaxagorae b discipulum, audierat, numeri motusque 1 tractabantur 2 , et unde omnia orerentur 3 quove 4 reciderent, studioseque ab iis siderum 5 magnitudines, intervalla, cursus 6 anquirebantur et cuncta caelestia. Socrates autem primus philosophiam devocavit e caelo et in urbibus conlocavit et in domus etiam introduxit et coëgit de vita et moribus rebusque bonis et malis quaerere. Cuius multiplex ratio 7 disputandi rerumque varietas et ingenii magnitudo Platonis memoriā et litteris consecrata 8 plura genera effecit dissentientium 9 philosophorum. E quibus nos id 10 potissimum 11 consecuti sumus, quo Socratem usum 12 arbitrabamur, ut nostram ipsi sententiam tegeremus 13 , errore alios levaremus 14 et in omni disputatione, quid esset simillimum veri, quaereremus. Cicero Tusculanae disputationes 5,10–11 M Übungsteil S. 24 1 motus, -us m .: Bewegung 2 tractare 1 : behandeln 3 oriri 4 : entstehen 4 -ve: oder 5 sidus, sideris n .: Gestirn 6 cursus, -us m .: Lauf(bahn) 7 ratio, -onis f .: Art, Weise 8 consecratus, -a, -um: unsterblich gemacht 9 dissentire 4 : uneinig sein 10 ergänze : genus 11 potissimum ( Adv .): hauptsächlich 12 ergänze : esse 13 tégere 3 : verdecken, verbergen 14 levare 1 : hier : befreien b Anaxagoras, -ae m .: Anaxagoras ( griechischer Philosoph des 5.Jh. v.Chr. ) 2 4 6 8 10 12 14 In den nur teilweise erhaltenen „Academica“ („Bücher über die Akademie“) fasst Cicero Sokrates’ Wirken folgen- dermaßen zusammen: Sokrates scheint mir – darüber sind sich alle einig – die Philosophie als Erster von den verborgenen und von der Natur selbst verhüllten Dingen, mit denen alle Philosophen vor ihm beschäftigt waren, weggeholt und zum öffentlichen Leben hingeführt zu haben, sodass er nämlich nach Tüchtigkeit und Laster, ja überhaupt nach den guten und schlechten Dingen fragte, aber die Meinung vertrat, dass die Himmelserscheinungen entweder weit von unserer Erkenntnis entfernt seien oder sie, selbst wenn sie bekannt seien, dennoch nichts zum guten Leben beitragen. (Cicero, Academica 1,15; Übersetzung: Elias Ledermann) Reproduktion, Transfer und Reflexion • Berichte, womit sich die im Thementext genannten drei Gruppierungen (Vorsokratiker, Sokrates, Cicero) philoso- phisch beschäftigten (R) . • Weise durch Zitieren der Stilmittel Alliteration, Asyndeton, Polysyndeton und Trikolon (L6) Ciceros literarischen Anspruch in seinen philosophischen Werken nach (R) . • Ziehe zum Vergleich die Cicero-Stelle aus den „Academi- ca“ heran und zeige, was gleich und was anders ist (T) . • Beschreibe ausgehend von Bildern rechts und auf S. 96 die Probleme, mit denen sich die Philosophie beschäftigt. Schildere deinen eigenen Standpunkt zur Philosophie (X) . a Archelaus, -i m .: Archelaos ( griechischer Philosoph des 5.Jh. v.Chr., Schüler des Anaxagoras) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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