Ex libris Latein-Textband

86 Liebe, Lust und Leidenschaft | Ovid als Lehrer in Sachen Liebe Bildungstipps für Frauen Im 3. Buch der „Ars amatoria “ wendet sich Ovid mit seinen Ratschlägen an die Frauen. So gibt er ihnen auch Bildungstipps: Monstra maris Sirenes a erant, quae voce canorā 1 quamlibet 2 admissas 2 detinuere 3 rates. His sua Sisyphides b auditis paene resolvit corpora (nam sociis inlita 4 cera fuit). Res est blanda 5 canor 6 : discant cantare puellae (pro facie multis vox sua lena 7 fuit) et modo marmoreis referant audita theatris et modo Niliacis c carmina lusa modis; nec plectrum 8 dextrā 9 , citharam tenuisse sinistrā 9 nesciat arbitrio 10 femina docta meo. (…) Et teneri possis carmen legisse Properti d sive aliquid Galli e sive, Tibulle f , tuum (…) et profugum Aenean g , altae primordia 11 Romae, quo 12 nullum Latio clarius extat 13 opus. Forsitan et nostrum nomen miscebitur istis (…) Ovid, Ars amatoria 3,311–320; 333–334 (gekürzt; Versmaß: elegisches Distichon) 1 canorus, -a, -um: wohlklin- gend 2 quamlibet ( Adv .) admissus, -a, -um: auch noch so schnell 3 detinuere = detinuerunt 4 inlitus, -a, -um: in die Ohren gestopft 5 blandus, -a, um: verlockend 6 canor, -oris m .: Gesang 7 lena, -ae f .: Kupplerin 8 plectrum, -i n .: Schlagstäb- chen 9 dextra … sinistra: ergänze manu 10 arbitrium, -i n .: Urteil, Meinung 11 primordium, -i n .: Ursprung 12 quo ( Abl. comp .): im Vergleich zu dem 13 extat = est d Propertius, -i m .: Sextus Propertius ( römischer Liebesdichter ) e Gallus, -i m .: Cornelius Gallus ( römischer Liebesdichter ) f Tibullus, -i m .: Albius Tibullus ( römischer Liebesdichter ) g Aeneas, -ae m . ( Akk .: Aenean): Aeneas ( mythischer Ahnherr Roms ) 2 4 6 8 10 12 14 Der Historiker Sallust berichtet über Sempronia, die zu den Verschwörern um Catilina gehörte: Aber zu diesen gehörte auch Sempronia, die oftmals zahlreiche Verbrechen von männlicher Dreistigkeit begangen hatte. Diese Frau war von ihrer Herkunft und Schönheit, außerdem mit einem Mann und Kindern zur Genüge gesegnet. In griechischer und lateinischer Literatur unterrichtet, vermochte sie geschickter auf der Leier zu spielen und zu tanzen, als für eine ehrbare Frau notwendig ist, und verstand sich auf viele andere Dinge, die Werkzeuge der Genusssucht sind. Aber alles war ihr immer lieber als Anständigkeit und Sittsam- keit. Ob sie auf ihr Geld oder ihren Ruf weniger Rücksicht nahm, hätte man nicht leicht entscheiden kön- nen. Ihre Sinnlichkeit war so entflammt, dass sie öfters um Männer warb, als sie umworben wurde. Schon oftmals zuvor hatte sie das Wort gebrochen, ein erhaltenes Darlehen in Abrede gestellt und war Zeugin eines Mordes gewesen. Durch Vergnügungssucht und Armut war sie völlig heruntergekommen. Sie war keinesfalls unbegabt: Sie vermochte Verse zu machen, Scherze zu treiben und ehrbare, gefühlvolle und anzügliche Gespräche zu führen. Sie besaß durchaus viel Witz und Charme. (Sallust, Catilina 25; Übersetzung: Elias Ledermann) Reproduktion, Transfer und Reflexion • Gib aus dem lateinischen Text Beispiele für folgende Stilmittel an: Anapher, Litotes, Metapher, Metonymie (T) . • Gliedere den Ausgangstext in einzelne Abschnitte (R) . • Liste die von Ovid genannten Autoren auf und gib die literarische Gattung ihrer Werke an (R) . • Recherchiere, auf welches römische Gedicht mit „profugum Aenean …“ (Zeile 13–14) angespielt wird (R) . • Ziehe zum Vergleich die oben angeführte Passage des Historikers Sallust heran. Nenne Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, v. a. hinsichtlich der Einstellung beider Autoren zum Thema der Frauenbildung (T) . • Stelle angesichts obiger Texte Überlegungen an, ob Bildung und Attraktivität miteinander zu tun haben (X) . a Sirenes, -um f. Pl .: die Sirenen b Sisyphides, -dae m .: Sisyphus-Sohn (= Odysseus) c Niliacus, -a, -um: vom Nil stammend, ägyptisch Nur zu Prüfzwecken – Eigent m des Verlags öbv

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