Ex libris Latein-Textband
77 Freuden und Leiden der Liebe | Liebe, Lust und Leidenschaft Der Liebe ausgeliefert Catull, der frisch verliebt ist, beneidet einen anderen Mann, der in Lesbias Nähe sitzen darf: Ílle mí par ésse deó vidétur, ílle, sí fas 1 ést, superáre dívos, quí sedéns advérsus 2 idéntidém te 2 spéctat et aúdit dúlce rídentém, miseró quod 3 ómnis 4 éripít sensús mihi: nám simúl 5 te, Lésbi a , áspexí, nihil ést supér 6 mi 7 vócis in óre, Catull, Carmen 51 (Versmaß: Sapphische Strophe) I 1 fas n. indekl. : Recht 2 adversus … te: dir gegenüber; te ist zugleich Objekt zu spectat 3 quod: was 4 omnis = omnes ( Akk.Pl. ) 5 simul : sobald 6 super: übrig 7 mi = mihi 8 artus, -uum m . ( meist Pl. ): Glieder 9 sonitus, -us m. : Klang 10 suopte = suo (verstärkt) 11 lumen, -minis n. : hier : Auge 12 exsultare 1 : übermütig sein 13 nimius, -a, -um: zu viel 14 gestire 4 : verlangen 2 4 6 8 Catull und Sappho Catulls Carmen 51 ist teilweise eine Nachdichtung eines Gedichtes der griechischen Dichterin Sappho. Sie lebte im 7. Jh. v. Chr. auf der Insel Lesbos, wo sie junge Mädchen als Schülerinnen um sich versammelte, und ist die bedeutendste Dichterin Griechenlands. Catulls Wahl des Pseudonyms für seine Geliebte zeigt, wie sehr er ihre Gedichte schätzte. Die Vorlage für Catulls Gedicht ist wohl ein Abschiedsgedicht. Der Bräutigam holt eine von Sapphos Schülerinnen aus ihrer Obhut, und Sappho singt zum Abschiedsbankett: Es scheint derjenige mir gleich den Göttern zu sein, der Mann, der gegenüber dir stets sitzt und aus der Nähe stets, wenn süß du redest, dir zuhört; und wenn du lachst – betörend. Das hat mir wahrhaftig das Herz in der Brust jäh aufgeschreckt! Denn wie ich auf dich blicke, kurz nur, ist zum Sprechen kein Raum mehr, nein: ganz gebrochen ist die Zunge, fein ist augenblicks unter die Haut ein Feuer mir gelaufen, und mit den Augen seh’ ich nichts, es dröhnen die Ohren, herab rinnt kalter Schweiß an mir, ein Zittern hält ganz gepackt mich, fahler noch als Dürrgras bin ich – vom Totsein wenig nur entfernt komm’ ich mir selbst vor. Doch alles ist durchstehbar, da … (Sappho, Fragment 31; Übersetzung: Joachim Latacz) Reproduktion, Transfer und Reflexion • Vergleiche Catulls Gedicht mit dem Sapphos und finde Übereinstimmun- gen und Unterschiede (T) . • Vergleiche bei Catulls Gedicht die ersten drei Strophen inhaltlich und sprachlich mit der vierten Strophe und erkläre, wie der Inhalt der letzten Strophe mit dem Rest des Gedichts zusammenpasst (T, X) . língua séd torpét, tenuís sub ártus 8 flámma démanát, sonitú 9 suópte 10 tíntinánt aurés, geminá tegúntur lúmina nócte. Ótiúm, Catúlle, tibí moléstum e st: ótio éxsultás 12 nimiúmque 13 géstis 14 : óti um ét regés prius ét beátas pérdidit úrbes. 10 12 14 16 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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