Ex libris Latein-Textband

6 Heiteres und Hintergründiges | Anekdote Erasmus erzählt zwei Anekdoten aus dem Leben der beiden berühmtesten griechischen Maler. Zeuxis a et Parrhasius b , pictores 1 clarissimi, certamen artis inter se instituerunt. Zeuxis a uvas pinxerat atque naturam ita erat imitatus, ut aves advolarent, quasi verae uvae essent. Parrhasius b linteum 2 pictum proposuit. Zeuxis a deceptus oravit Parrhasium b , ut linteum removeret tabulam 3 que pictam 3 ostenderet. Sed mox errorem intellexit et: „Vicisti“, inquit, „Parrhasi b ! Nam ego aves fefelli, tu artificem.“ Zeuxis a pinxit puerum uvam tenentem. Cum tanta esset similitudo uvae, ut etiam aves advolarent, quidam ex iis, qui aderant, „Aves“, inquit, „male existimant de tabula: Non enim advola‹vi›ssent, si puer similis esset.“ Erasmus, Apophthegmata VI, 533 und 534 II M Übungsteil S. 2 2 4 6 8 10 1 pictor, -oris m .: Maler 2 linteum, -i n. : Leintuch 3 tabula (-ae f. ) picta (-ae): Gemälde a Zeuxis, -is m. : Zeuxis ( griechischer Maler ) b Parrhasius, -i m. : Parrhasios ( griechischer Maler ) Von der griechischen Wand- und Tafelmalerei hat sich nur wenig im Original erhalten. Das große Können der griechischen Maler lässt sich jedoch aus Anekdoten wie den oben geschilderten erschließen. So erzielten griechische Maler bereits räumliche Tiefenwirkung und setzten Licht und Schatten so gekonnt ein, dass der Effekt des Trompe-l’œil (franz. „Täusch das Auge“), also eine scheinbare Dreidimensionalität, entstand. Diese Kunstform wurde besonders von dem flämischer Maler Cornelis Gijsbrechts (17. Jh.) gepflegt (vgl. Abb. rechts). Cornelis Gijsbrechts, Quodlibet, 1675, Wallraf- Richartz-Museum, Köln Reproduktion, Transfer und Reflexion • Fasse die erste Anekdote (Zeile 1–7) mit eigenen Worten zusammen (R) . • Erläutere, worin der Witz der zweiten Anekdote (Zeile 8–11) besteht (R, X) . • Recherchiere die kunstgeschichtliche Bedeutung des Begriffs Trompe-l’œil (R) . • Recherchiere die kunstgeschichtliche Bedeutung des Begriffs Quodlibet (vgl. den Titel des oben gezeigten Bildes) (R) . • Bei Plinius dem Älteren (Naturalis historia 35,66) findet sich die zweite Anekdote in folgender Fassung: „Als Zeuxis einen Knaben malte, der Trauben in der Hand hielt, zu denen Vögel flogen, ging er zornig und ganz offen zu seinem Werk hin und sagte: ‚Die Trauben habe ich besser gemalt als den Knaben, denn wenn ich ihn auch vollkommen gemacht hätte, hätten sich die Vögel vor ihm fürchten müssen.‘ “ Zeige auf, in welchem Punkt Erasmus die Geschichte verändert hat (T) . Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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