Ex libris Latein-Textband

36 Politik und Rhetorik | Cicero und die Rhetorik Die Catilinarische Verschwörung Lucius Sergius Catilina (108–62 v.Chr.) entstammte einem alten, aber verarmten römischen Adelsgeschlecht. Er war talentiert und charismatisch, zugleich aber auch verschwenderisch und skrupellos. Während der Diktatur Sullas profitierte er finanziell von den politischen Säuberungen (Proskriptionen). Nach seiner Statthalterschaft in Nordafrika (66 v. Chr.) wurde er wegen Ausbeutung der Provinz angeklagt und so daran gehindert, sich für das Konsulat zu bewerben. Als er auch in weiterer Folge bei den Konsulwahlen unter- lag (u. a. gegen Cicero), entschloss er sich zu einem Putsch. Konsul Cicero war freilich durch Spitzel von Catilinas Machenschaften unterrichtet und traf entsprechende Gegenmaßnahmen. Handfeste Beweise für die Verschwö- rung konnten jedoch nicht vorgelegt werden. Immerhin erreichte Cicero im Senat, wo bei weitem nicht alle von Catilinas Schuld überzeugt waren, dass der Staatsnotstand verhängt wurde („senatus consultum ultimum“). Anfang November erfuhr Cicero, dass der Putsch kurz bevorstand. Er selbst sollte ermordet und Rom von den Ver- schwörern besetzt werden. Catilina wiederumwollte Rom verlassen und mit einer Armee, die ein gewisser Manlius für ihn aufgestellt hatte, wieder zurückkehren. Cicero vereitelte nun zunächst das auf ihn geplante Attentat, ließ in Rom Posten aufstellen und berief den Senat zu einer Sitzung in den Tempel des Jupiter Stator auf dem Palatin ein. Dort wollte er Catilina zum Staatsfeind erklären lassen. Doch dieser hatte nach dem gescheiterten Mordanschlag auf Cicero seine Pläne geändert. Er saß nun selbst im Senat und tat so, als ob er von nichts wisse. Daraufhin hielt Cicero seine erste Catilinarische Rede aus dem Stegreif. Sein Ziel war es dabei, Catilina vom Senat zu isolieren und ihn dazu zu bringen, Rom von sich aus zu verlassen, sein Heer aufzusuchen und so selbst seine Schuld einzugestehen. Dies gelang, sodass Cicero tags darauf das Volk in seiner zweiten Catilinarischen Rede von den Vorgängen informieren konnte. Tatsächlich aber waren viele Anhänger Catilinas in Rom verblieben. Anfang Dezember fiel Cicero ein Schreiben in die Hände, in dem diese namentlich angeführt waren. Er ließ sie festnehmen und setzte in seiner dritten Catili- narischen Rede das Volk davon ins Bild. Kurz darauf ergriff er ein viertes Mal das Wort, diesmal wieder im Senat, wo über die Bestrafung der Verschwörer beraten wurde. Man entschied sich für die Hinrichtung, die sogleich auch vollzogen wurde. Catilina selbst traf mit den Seinen einige Monate später bei Pistoria (= Pistoia) in Etrurien auf die Armee, die Ciceros Mitkonsul befehligte, und verlor Schlacht und Leben. Cicero wiederum wurde zunächst als „pater patriae“ geehrt. Schon bald aber rächte es sich, dass er die Hinrichtung der Catilinarier ohne Gerichtsurteil hatte vornehmen lassen. Sein Erzfeind, der Volkstribun P. Clodius Pulcher, trieb ihn ins Exil nach Makedonien, von wo Cicero erst nach einem Jahr wieder nach Rom zurückkehren konnte. Cesare Maccari, Ciceros Rede gegen Catilina, Wandmalerei, 1888, Palazzo Madama, Rom Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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