Ex libris Latein-Textband

33 Cicero und die Rhetorik | Politik und Rhetorik Cicero als Redner Cicero im Urteil der Nachwelt Quintilián, Rhetorikprofessor in Rom (1. Jh. n. Chr.), fällt über den Redner Cicero das folgende Urteil: Nam quis docere diligentius, movere vehementius potest? Cui tanta umquam iucunditas 1 affuit? (…) Iam in omnibus, quae ‹Cicero› dicit, tanta auctoritas inest, ut dissentire pudeat 2 nec advocati 3 studium, sed testis 4 aut iudicis afferat fidem 5 , cum 6 interim haec omnia, quae vix singula 7 quisquam intentissima 8 cura consequi posset, fluunt illaborata 9 et illa, qua 10 nihil pulchrius 10 auditum est, oratio prae se fert tamen felicissimam facilitatem 11 . Quare non immerito 12 ab hominibus aetatis suae regnare in iudiciis dictus est, apud posteros 13 vero id consecutus, ut Cicero iam non hominis nomen, sed eloquentiae habeatur. Hunc igitur spectemus, hoc propositum nobis sit exemplum, ille se profecisse 14 sciat, cui Cicero valde placebit. Quintilian, Institutio oratoria 10,110–112 (gekürzt) 2 4 6 8 10 1 iucunditas, -atis f. : Fähigkeit zu unterhalten 2 pudet 2 : man schämt sich 3 advocatus, -i m .: Anwalt 4 testis, -is m. : Zeuge 5 fides, -ei f. : hier : Glaubwürdig- keit 6 cum (+ Ind. ): wobei 7 singuli, -ae, -a: einzeln 8 intentus, -a, -um: angestrengt 9 illaboratus, -a, -um: mühelos 10 qua ( Vergleichsabativ. ) nihil pulchrius …: die schönste, die … 11 facilitas, -atis f. Leichtigkeit 12 immerito ( Adv. .): zu Unrecht 13 posteri, -orum m.Pl. : Nachfahren 14 profícere 3 M, -feci: Fortschritte machen Reproduktion, Transfer und Reflexion • Fasse den Text zusammen, beschreibe, wie Cicero hier gesehen wird, und nimm dazu Stellung (R, X) . • Recherchiere zu Leben und Werk Quintilians und berichte darüber (T) . Marcus Tullius Cicero (106–43 v.Chr.), ein römischer Rit- ter aus Arpinum (in Südlatium), machte sich dank seiner rhetorischen Begabung einen Namen als erfolgreicher Anwalt und schaffte dadurch auch politisch den Auf- stieg. Aufnahme in den Senat fand er durch seine Wahl zum Quaestor. Dieses Amt übte er 75 v. Chr. überaus ge- wissenhaft und moralisch integer in Sizilien aus. Im Jahr 70 bestellten die Sizilianer ihn darum bei ihrer Klage gegen den korrupten Provinzstatthalter Gaius Verres zu ihrem Vertreter. Cicero gewann den Prozess und war fortan Roms erster Anwalt. In der Folge durchlief der ehrgeizige „homo novus“ („Newcomer“) auch die übrige Ämterlaufbahn („cursus honorum“) in Mindestzeit und gelangte so als Konsul (63 v. Chr.) bis an die Spitze der römischen Republik. Als seine größte Leistung empfand er dabei selbst die Aufdeckung eines Putsches, der so- genannten Catilinarischen Verschwörung. Cicero stand am Höhepunkt seiner Karriere. Dann jedoch änderten sich die Zeiten. Während des ersten Triumvirats, einem Privatpakt zwischen Caesar, Pompeius und Crassus (60 v. Chr.), wurde er politisch kaltgestellt. Er musste vorübergehend sogar ins Exil nach Makedonien. Wieder zurück, verlangten die Triumvirn von ihm, ihre zwielich- tigen Anhänger vor Gericht zu verteidigen. Das von ihm damals propagierte Programm des „consensus omnium bonorum“ (= der Einigkeit aller Patrioten) verhallte un- gehört. Ehe es 49 v. Chr. dann zum Bürgerkrieg unter den ehemaligen Partnern Caesar und Pompeius kam, ver- suchte Cicero lange zu vermitteln. Letztlich entschied er sich für die Seite des Pompeius. Nach Caesars Sieg wur- de er zwar begnadigt, blieb aber vom politischen Leben weiterhin ausgeschlossen. Damals widmete er sich ganz der (philosophischen) Schriftstellerei. Erst nach- dem Caesar 44 v. Chr. ermordet worden war, wurde Cicero noch einmal politisch aktiv. Leidenschaftlich bekämpfte er den Caesarianer Mark Anton im Senat. Zeugnis davon geben seine „Philippischen Reden“. Mit diesem Titel der Reden wollte er zugleich auch an sein rhetorisches Vorbild Demosthenes erinnern (vgl. S. 31). Es gelang Cicero eine Allianz zwischen Senat und dem Caesarerben Octavian zu schmieden. Als sich aber Octa- vian mit Mark Anton verbündete, forderte dieser den Kopf seines Feindes Ciceros, der dann auch im Dezem- ber 43 v. Chr. den vereinbarten Säuberungen (Proskrip- tionen) zum Opfer fiel. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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