Ex libris Latein-Textband

24 Heiteres und Hintergründiges | Satire Erfolglos versucht Horaz den Quälgeist loszuwerden. Dieser erklärt ihm nämlich, er werde ihm in jedem Fall folgen: „Nil habeo, quod agam, et non sum piger: usque 1 sequar te.“ Demitto auriculas ut iniquae 2 mentis asellus, cum gravius dorso 3 subiit onus. Incipit ille: „Si bene me novi, non Viscum a pluris 4 amicum, non Varium b facies 4 : nam quis me scribere pluris 5 aut citius 6 possit versus? Quis membra 7 movere 7 mollius? Invideat quod 8 et Hermogenes c , ego canto.“ Interpellandi 9 locus hic erat: „Est tibi mater, cognati 10 , quis 11 te salvo est 12 opus 12 ?“ „Haud 13 mihi quisquam 13 . Omnis 14 conposui.“ „Felices! Nunc ego resto. Confice 15 ! (...)“ Horaz, Sermones 1,9,19–29 (Vermaß: Hexameter) II 1 usque ( Adv .): fortwährend 2 iniquus, -a, -um: hier : störrisch 3 dorsum, -i n .: Rücken 4 facere 3 M pluris ( Gen. pretii ): höher schätzen 5 pluris = plures 6 citus, -a, -um: schnell, rasch 7 membra movére: tanzen 8 quod et ( + Konj .): was wohl auch 9 interpellare 1 : unterbrechen 10 cognatus, -i m .: Verwandter 11 quis = quibus 12 opus est (+ Abl .): (etwas) ist nötig 13 haud quisquam = nemo 14 omnis = omnes 15 confícere 3 M: fertig machen 2 4 6 8 10 C. Cilnius Maecenas war ein reicher römischer Ritter, der von altem etruskischem Adel abstammte. Er war ein enger Vertrauter Octavians und übernahm für diesen gelegentlich diplomatische und politische Aufgaben. Blei- benden Ruhm erwarb sich Maecenas als großer Förderer junger Dichter. Er unterhielt einen eigenen Dichterkreis, dem neben Vergil und Horaz auch der Elegiker Properz angehörte. Sein Name wurde sprichwörtlich für einen Kunstförderer (vgl. Mäzen und Mäzenatentum). Wenig später wird der eigentliche Grund der Aufdringlichkeit klar: „Wie steht Maecenas zu dir?“, nimmt er dann das Gespräch wieder auf. „Er hat nur wenige Menschen um sich und ist bei gesundem Verstand. (45) Keiner hat das Glück passender genutzt als du. Du hättest einen großen Unterstützer, der die zweite Rolle übernehmen könnte, wenn du mich ihm vorstellen wolltest. Sterben will ich, wenn du mit mir nicht alle ausstechen solltest.“ – „Wir leben da nicht auf diese Weise, wie du glaubst. Kein Haus ist anständiger als dieses, (50) keines diesen Übeln feindlicher. Mir schadet es nicht, weil einer reicher oder gebildeter ist. Jeder einzelne hat seinen Platz.“ – „Großartiges erzählst du, kaum zu glauben.“ – „Und doch verhält es sich so.“ – „Du spornst mich an ihm näher sein zu wollen.“ – „Du brauchst nur zu wollen. Bei deinen Fähigkeiten, (55) wirst du ihn überzeugen. Und er lässt sich über- zeugen, deshalb ist der erste Zugang schwierig.“ – „An mir wird es nicht scheitern. Mit Geschenken will ich die Sklaven bestechen. Wenn ich heute ausgeschlossen werde, will ich nicht aufgeben. (…)“ (Horaz, Sermones 1,9,43–58; Übersetzung: Elias Ledermann) a Viscus, -i m .: Viscus ( Dichterfreund im Maecenas- kreis ) c Hermogenes, -is m .: Hermogenes ( ein schlechter Künstler ) b Varius, -i m .: Lucius Varius Rufus ( Dichterfreund im Maecenaskreis ) Reproduktion, Transfer und Reflexion • Lies die ersten beiden Verse von Abschnitt I vor und gib seinen Inhalt in eigenen Worten wieder (R) . • Ziehe zum Vergleich den oben angeführten Auszug aus derselben Satire heran und erkläre, zu wem sich der „Quälgeist“ Zugang verschaffen will. Beschreibe ausgehend von Horaz’ Biografie sein Verhältnis zu dieser Person (T, R) . • Stelle ausgehend von Horazens Stellung im Maecenas-Kreis deine eigene Meinung zur Kulturförderung durch die Politik dar. Diskutiere die Problematik, die sich hier bezüglich der Freiheit der Kunst ergibt (X) . Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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