Ex libris Latein-Textband

171 Medizinische Texte | Fachsprachen und Fachtexte Medizin in Rom Rom hatte in der Republik ein durchaus kritisches Verhältnis zu den griechischen Ärzten. Berühmt geworden ist etwa der Ausspruch Catos des Älteren, der an seinen Sohn schrieb: „Interdico tibi de medicis “. Mit der allgemei- nen Begeisterung für die griechische Kultur änderte sich diese Einstellung jedoch. Etwa seit der Mitte des 1. Jh. v. Chr. gab es öffentlich bezahlte Ärzte. Durch Kaiser Vespasian wurden Ärzte generell von Steuern und Militär- dienst befreit. Das Einkommen der Ärzte hing von ihrem Berufsumfeld und ihrer gesellschaftlichen Herkunft ab. Die Geldgier mancher Ärzte wurde von Dichtern (z. B. Martial) kritisiert. Einer der ersten erfolgreichen griechi- schen Ärzte in Rom war Asklepiades von Prusa (2. Jh. v. Chr.), der das Badewesen in Rom förderte und sich ganz allgemein für eine gesunde Lebeweise (die etwa Massagen, Gymnastik, Kuren und Diäten umfasste) einsetzte– heute würden wir von ganzheitlicher Medizin sprechen. Das Baden, bereits von den Griechen kultiviert, erlebte in Rom Jahrhunderte hindurch eine Blütezeit, wie man an den zahllosen Thermen und Heilbädern im ganzen Römischen Reich sehen kann. Viele römische Heilbäder existieren noch heute, z. B. Baden bei Wien (lat. „Aquae“), Aachen oder Bath (Großbritannien). Asklepiades’ Schüler Antonius Musa (1. Jh. v. Chr.) war so etwas wie der antike Kneipp: Es gelang ihm 23 v. Chr. Kaiser Augustus durch kalte Bäder und Umschläge von einem akuten Leberleiden zu befreien. Zu den bedeutendsten Ärzten der Kaiserzeit zählte der Grieche Galenus (129 – um 210 n. Chr.) aus Pergamon. Er war ursprünglich Gladiatorenarzt und diente später mehreren Kaisern, darunter Marc Aurel, als Leibarzt. Sein umfangreiches, griechisch geschriebenes Werk wurde im Mittelalter von allen antiken medizinischen Schriften am meisten rezipiert. Medizin im frühen Mittelalter: von Griechenland zu den Arabern Ein Gutteil des Wissens der griechischen Antike wurde in Persien und später in Arabien weitervermittelt. Viele Philosophen, Theologen und Ärzte übersetzten griechische Schriften ins Syrische und später ins Arabische. Die meisten dieser Gelehrten waren Christen, dienten aber ab dem 7. Jh. am Hofe des Kalifen, des islamischen Herrschers. Der bedeutendste christliche Arzt war Hunain Ben Isaaq (9. Jh.). Er, sein Sohn und sein Enkel über- setzten mehrere hundert Werke u. a. von Aristoteles und Galen ins Arabische. Hunain war der führende Vertreter der Ophthalmologie (Augenheilkunde) in seiner Zeit. Er war der Schöpfer der wissenschaftlichen arabischen Fachsprache. Der bedeutendste muslimische Arzt des Mittelalters war der Perser Avicenna (um 980–1037), ein Bewunderer des Galen. Sein Hauptwerk ist der „Qanun at-Tibb“ (= Kanon [griech. Regel, Richtschnur] der Medizin), der im 12. Jh. ins Lateinische übersetzt wurde. Damit kam das Wissen der griechischen Medizin, angereichert durch die Erkenntnisse arabischer Ärzte, auf Umwegen zurück nach Europa. Die Medizinvorlesung, Wandmalerei, 4. Jh., Catacomba di Via Dino Compagni, Rom Hippokrates von Kos, Marmorbüste, Louvre, Paris Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=