Ex libris Latein-Textband

131 Ovids „Metamorphosen“ | Mythos und Rezeption Prooemium der „Metamorphosen“ Ovid beginnt sein Epos mit diesen Worten: Ín nova fért 1 animús mutátas dícere fórmas córpora: Dí, coeptís 2 (nam vós mutástis 3 et íllas) ádspiráte 4 meís primáqu e ab orígine múndi ád mea pérpetuúm dedúcite 5 témpora cármen. Ovid, Metamorphosen 1,1–4 (Versmaß: Hexameter) 1 ferre, fero: hier : drängen 2 coeptum, -i n.: Vorhaben 3 mutastis = mutavistis 4 adspirare 1 : beistehen (günstigen Fahrtwind verleihen) 5 dedúcere 3 : herabführen, (ein Schiff) geleiten 2 4 Was ist ein Prooemium? Reproduktion, Transfer und Reflexion • Lies die obigen Informationen und erläutere dann, in welcher Weise in Ovids Text die Charakteristika eines Prooemiums enthalten sind (T) . Führe das lateinische Wort/die lateinischen Wörter an, mit dem/denen das Thema der „Metamorphosen“ genannt wird (T) . • Vergleiche das Prooemium der „Metamorphosen“ mit dem Epilog und finde Gemeinsamkeiten und Unter- schiede. Analysiere Ovids Gedanken über sein Weiterleben und setze sie in Beziehung zum Thema des Epos (T) . Epilog der „Metamorphosen“ Und nun hab’ ich ein Werk vollbracht, das Feuer und Eisen nimmer zerstört, noch Jupiters Zorn, noch zehrendes Alter. Mag denn kommen der Tag, der nur am vergänglichen Leibe Recht ausübt, und den Raum unsicheren Lebens beschließen: Trotz wird bieten der Zeit und über die hohen Gestirne schweben mein besserer Teil und nie mein Name getilgt sein. Rings, so weit Roms Macht sich erstreckt in bezwungenen Ländern, wird mich lesen das Volk, und wofern nicht trugen der Dichter Ahnungen, werd’ ich stets fortleben in ferneste Zukunft. (Ovid, Metamorphosen 15,871–879; Übersetzung: Johann Heinrich Voß) Als Prooemium wird allgemein die Einleitung eines Textes, im Speziellen die Vorrede zu einem längeren dichterischen Werk, wie es ein Epos ist, bezeichnet. Charakteristisch ist vor allem das Nennen des The- mas des Epos gleich am Beginn, wie z. B. bei Homers „Ilias“: „Singe, o Muse, den Zorn des Peleussohnes Achilles …“ – im griechischen Text ist „menin“ (= Zorn) das erste Wort des Textes. Ebenso beginnt Vergils „Aeneis“ mit den Worten „Arma virumque cano …“ (siehe S.154). Ein weiteres typisches Merkmal eines Prooemiums ist die Bitte an die Götter um Inspiration und Hilfe. Diese Bitte kann sich an die Musen als typische Inspira- tionsgottheiten richten oder an Götter, die in Bezug zum Thema des Werkes stehen. Oft enthält ein Prooemium auch eine Anrede an eine zeitgenössische Persönlichkeit, der das Werk gewidmet ist, oder auch die Bitte an die Leser, das Werk wohl- wollend aufzunehmen. Die literarische Gattung, der das Werk angehört, und die stilistischen Prinzipien, die der Dichter beachtet, sind ebenfalls Gegenstand eines Prooemiums. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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