Ex libris Latein-Textband

121 Christentum und Rom | Formen der Lebensbewältigung Augustinus’ Werk Das wohl bekannteste Werk des Kirchenvaters Augustinus sind die „Confessiones“, die in 13 Büchern sowohl eine persönliche Lebensbeichte darstellen als auch einen Lobpreis Gottes. Augustinus schildert darin anhand seines eigenen Lebensweges, wie man Gott suchen kann, um ihn letztlich in sich selbst und in der Schöpfung zu finden. Verfasst hat er diese Schrift als Bischof von Hippo Regius um 400. Augustinus hat aber auch sonst ein überaus umfangreiches Werk hinterlassen. Erhalten sind unzählige Predig- ten, Briefe und Abhandlungen zu theologischen Fragen, z. B. die Schrift „De trinitate“, in der er das Geheimnis des einen dreifaltigen Gottes (Gott Vater, Sohn und Geist) behandelt. Ein besonderes Anliegen des Kirchenvaters war ferner die Verteidigung des Glaubens der Kirche. Dazu sah er sich veranlasst, als im Jahre 410 die Westgoten Rom erobert hatten und die Heiden den Christen die Schuld dafür gaben. Diesem Vorwurf begegnete Augustinus mit der letzten und größten Apologie (= Verteidigungsschrift) des Christentums (22 Bücher). Der Titel der Schrift lautet „De civitate Dei“. Augustinus’ Bekehrung Augustinus hatte am kaiserlichen Hof in Mailand eine steile Karriere gemacht, doch wirklich glücklich war er nicht. Innerlich war er nach wie vor auf der Suche. Durch den Mailänder Bischof Ambrosius und dessen vom Neuplatonismus geprägte Bibelauslegung erkannte er schließlich, dass die gesuchte Wahrheit für ihn doch im Christentum lag. Christsein bedeutete für ihn aber zugleich, auf sein bisheriges Leben, auf Beruf und Karriere, aber auch privat auf die Freundin, die er hatte, zu verzichten. Eine solche Entscheidung fiel Augustinus nicht leicht. Unschlüssig und bedrückt zog er sich deshalb in einen Garten bei Mailand zurück: Dicebam haec, et flebam, amarissima contritione 1 cordis mei. Et ecce audio vocem de vicina domo cum cantu dicentis 2 , et crebro repetentis 2 , quasi pueri an puellae, nescio: „Tolle 3 lege, tolle 3 lege!“ Statimque mutato vultu intentissimus cogitare coepi, utrumnam 4 solerent pueri in aliquo genere ludendi cantitare tale aliquid, nec occurrebat 5 omnino audisse me uspiam 6 : Repressoque impetu lacrimarum surrexi, nihil aliud interpretans divinitus 7 mihi iuberi 8 , nisi ut aperirem codicem 9 et legerem, quod primum caput 10 invenissem. Audieram enim de Antonio a , quod ex evangelica 11 lectione 11 , cui forte supervenerat 12 , admonitus fuerit, tamquam sibi diceretur, quod legebatur: „Vade, vende omnia, quae habes, da pauperibus et habebis thesaurum in caelis; et veni, sequere me!“ b , et tali oraculo confestim ad te c esse conversum. L6 M Übungsteil S. 28 1 contritio -onis f .: Betrübnis 2 Participium coniunctum im Gen .; übersetze : von jemanden, der 3 tóllere 3 : hier : nehmen 4 utrumnam ( + Konj. ): ob denn 5 occurrebat ‹mihi›: mir fiel ein 6 uspiam: irgendwo 7 divinitus ( Adv. ): von Gott (her) 8 iubére 2 : hier : + Dat. und ut 9 codex, codicis m .: Buch (= Bibel) 10 caput, capitis n .: hier : Kapitel 11 evangelica (-ae) lectio (-onis f .): Lektüre einer Bibelstelle 12 supervenire 4 (+ Dat .): stoßen (auf) a Antonius, -i m. : Antonius ( christlicher Einsiedler in Ägypten ) b NT Matthäus 19,21 c te: angeredet ist Gott 2 4 6 8 10 12 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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