Ex libris Latein-Textband

103 Die hellenistischen Philosophenschulen | Formen der Lebensbewältigung Stoa Der Gründer der Schule der Stoá war Zenon von Kition (auf Zypern). Im Jahr 313 v. Chr. gelangte er nach einem Schiffbruch nach Athen, wo er sich erst dem kynischen Philosophen Krates anschloss, schließlich aber selbst in der „Bunten Säulenhalle“ („stoá poikíle“) eine eigene Philosophenschule gründete. Nach stoischer Lehre gab es einen einzigen Kosmos, der in Zyklen entstand und verging. Durchdrungen war er vom „lógos“ („Weltvernunft“), den man sich als feinste Feuermaterie dachte. Alles sei daher wohlgeordnet und folge einem Plan, nichts geschehe zufällig. Der Mensch wiederum sei Teil des Ganzen. Die Stoiker verstanden sich dementsprechend als Weltbürger („Kosmopoliten“), die ihr Leben am „lógos“ und an der Natur auszurichten hatten und sich selbst in den Dienst von Gemeinschaft und Staat stellen sollten. Letz- teres war sicher ein Hauptgrund für den großen Erfolg der Stoá in Rom. Persönlich suchten die Stoiker ihr Glück im Frei-Sein von jeglichen Affekten („apátheia“). Unheil sollte unerschüt- terlich ertragen werden und auch für ausgelassene Freude war kein Platz. Ziel war die Gemütsruhe („ataraxía“). Der Weg dorthin führte über die Tugend („areté“/„virtus“), das richtige, ehrenhafte Verhalten („honestum“). Äußere Güter waren unerheblich. Nichts durfte in der „Burg“ des Geistes eines Stoikers die Ruhe stören. Ja, der wahre Weise sollte sogar auf der Folterbank glücklich sein. Stoisches bei Cicero Cicero lässt einen Stoiker die eigene Weltsicht zusammenfassen: Mundum autem censent regi numine 1 deorum, eumque esse quasi communem urbem et civitatem hominum et deorum, et unumquemque nostrum eius mundi esse partem; ex quo illud naturā consequi 2 , ut communem utilitatem nostrae anteponamus. Cicero, De finibus 3,64 I 1 numen, numinis n. : (göttliches) Walten 2 consequi 3 : die Konsequenz haben 2 4 Cicero beschreibt die „Stoische Ruhe“: (…) illi beati 1 , quos nulli metus terrent, nullae aegritudines 2 exedunt 3 , nullae libidines incitant, nullae futtiles 4 laetitiae exsultantes 5 languidis 6 liquefaciunt 7 voluptatibus. Ut maris igitur tranquillitas intellegitur, nulla ne minima quidem aura fluctus 8 commovente, sic animi quietus et placatus 9 status cernitur, cum perturbatio nulla est, qua moveri queat. Quodsi est, qui vim fortunae, qui omnia humana, quae cuique accidere possunt, tolerabilia ducat 10 , ex quo 11 nec timor eum nec angor 12 attingat, idemque si nihil concupiscat 13 , nullā ecferatur 14 animi inani voluptate, quid 15 est, cur 15 is non beatus sit? Et si haec virtute efficiuntur, quid 15 est, cur 15 virtus ipsa per se non efficiat beatos? Cicero, Tusculanae disputationes 5,16b–17 II 1 ergänze: sunt 2 aegritudo, -inis f. : Kummer 3 exédere 3 : verzehren 4 futtilis, -e: nichtig 5 exsultantes: Participium coniunctum im Akk. zu quos 6 languidus, -a, -um: weichlich 7 liquefácere 3 M: schwächen 8 fluctus, -uum m. Pl .: Fluten 9 placatus, -a, -um: ruhig 10 dúcere 3 : hier: halten (für) 11 ex quo ( + Konj. ) = ut (+ Konj. ): sodass 12 angor, -oris m .: Beklemmung 13 concupíscere 3 : begehren 14 ecferri, -feror: sich brüsten 15 quid est, cur ( + Konj. ): was gibt es für einen Grund, dass 2 4 6 8 10 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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