Ex libris Latein-Einstiegstexte

53 Die Entdeckung der Neuen Welt Vorgeschichte: Die Sehnsucht nach Indien Ausgangspunkt für die Entdeckung der sogenannten Neuen Welt war der Wunsch der Europäer, einen mög- lichst kurzen Seeweg nach Indien zu finden. Die Portu- giesen waren die Ersten, die – statt des gefährlichen Landwegs durch den Nahen Osten – die Seeroute rund um Afrika befuhren: Im Jahre 1488 umsegelte Barto- lomëu Diaz das Kap der Guten Hoffnung; sein Lands- mann Vasco da Gama erreichte schließlich im Jahre 1497 Indien. Sein Schiff kehrte reich mit Gewürzen beladen nach Portugal zurück. Doch da war Amerika bereits seit fünf Jahren entdeckt! Christoph Kolumbus, ein Mann der Tat Christoph Kolumbus (ital. Cristoforo Colombo, span. Cristóbal Colón; geb. 1451 in Genua, gest. 1506 in Valla- dolid) war geprägt vom „Willen zur Tat“: Er wollte den seiner Meinung nach kürzeren Seeweg nach Indien über die Westroute finden. Columbus war auch von re- ligiösem Sendungsbewusstsein geprägt. Er fühlte sich als neuer Christophorus, „Christus-Träger“, der das Evan- gelium zu den Indern bringen wollte. Die Voraussetzun- gen dafür waren günstig: Die Rückeroberung Spaniens (die sogenannte Reconquista) von den Arabern war 1492 abgeschlossen, somit konnte man sich andere Zie- le stecken. Die spanische Königin Isabella setzte sich persönlich für das Projekt ein. Am 12. Oktober 1492 erreichte Kolumbus mit seinen drei Schiffen die Insel Guanahani (vermutlich identisch mit der heute San Salvador genannten Insel der Baha- mas). Bis zum Ende seines Lebens war Kolumbus davon überzeugt, nach Asien gekommen zu sein. Er selbst sprach nie davon, Indien erreicht zu haben, sondern glaubte eher, an die Ostküste Chinas gekommen zu sein. Auf Kolumbus’ Irrtum geht auch die Bezeichnung „West- indische Inseln“ (Sammelbegriff für Antillen und Baha- mas) zurück, da er auf demWestweg nach „Indien“ kom- men wollte. Auf denselben Irrtum geht auch die Bezeichnung „Indianer“ zurück, die später auf die ge- samte Urbevölkerung Amerikas übertragen wurde. Insgesamt vier Seereisen unternahm Kolumbus zwi- schen 1492 und 1504 und wurde sogar spanischer Vize- könig in der Neuen Welt. In seinen letzten Lebensjahren verfasste er eine Art Memoiren, den „Libro de las pro- fecías“, in dem er seine persönliche Mission schildert. Darüber hinaus hatte er bereits unmittelbar nach seiner Rückkunft einen Bericht in Briefform verfasst (vgl. S. 56). Ein Name für die Neue Welt Im Jahre 1500 betrat der Portugiese Pedro Cabral in Bra- silien erstmals südamerikanischen Boden; 1504 betrat auch Kolumbus auf seiner vierten Reise südamerikani- sches Festland zwischen Honduras und Kolumbien. Kolumbus’ Landsmann, der Florentiner Amerigo Vespucci, setzte unter portugiesischer Flagge die See- fahrten nach Südamerika fort und war sich als Erster dessen bewusst, einen neuen Kontinent entdeckt zu haben: Daher trug sein Reisebericht den Titel Mundus Novus. 1507, ein Jahr nach Kolumbus’ Tod, gab der deutsche Geograph Martin Waldseemüller eine Landkarte her- aus, auf der dieser neu entdeckte Kontinent als AMERI- CA bezeichnet wird. Waldseemüller schlug vor, den neu- en Kontinent als „quasi Americi terram sive Americam“ zu bezeichnen. Die vier Reisen des Kolumbus Palos Cadiz Guanahaní 12.10.1492 Kuba Hispaniola Dominica 3.11.1493 Martinique 15.6.1502 Trinidad 31.7.1498 1.Reise 2.Reise 3.Reise 4.Reise Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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