Ex libris Latein-Einstiegstexte

Das Geschlecht der Babenberger beherrschte 270 Jahre Österreich (976–1246) und verstand es, nach und nach seine Herrschaft zu fes- tigen und auszubauen. Die Babenberger stiegen von Markgrafen (lat. marchio „Markgraf“) zu Herzögen (lat. dux „Herzog“) auf und kontrollierten schließlich Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark. Im 12. und 13. Jahrhundert erlebte ihr Territorium eine besondere Blütezeit. 1212 erhielt Enns das Stadtrecht, 1221 die Resi- denz Wien. Ihre Herrschaft endete mit Herzog Friedrich II. dem Streitbaren (1230–1246). Während des Mongolensturms 1241 hatte er vom Ungarnkönig Bela IV. als Pfand für seine Waffenhilfe Gebiete in Westungarn erhal- ten. Als der Ungarnkönig später die Rückgabe dieser Gebiete ver- langte, weigerte sich der Babenberger. Ein Krieg sollte die Entschei- dung bringen: 1246 fiel Friedrich in der Schlacht an der Leitha und wurde in Heiligenkreuz beigesetzt. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Babenberger imMannesstamm. Auf seinem Sarkophag im Kapi- telsaal des Zisterzienserstifts findet sich folgende Inschrift: † DIE a S VITI a A o b DNI M o CC o XL o VI o b Ø c DOMINVS FRIDERICVS DVX AVSTRIAE ET STYRIAE d ET DNS e CARNIOLAE f a die s‹ancti› Viti: am Tag des heiligen Veit ( = 15. Juni ) b A o DNI (= anno Domini) M o CC o XL o VI o : im Jahre des Herrn 1246 c Ø = obiit d Styria, -ae f. : Steiermark e DNS = dominus f Carniola, -ae f. : Krain ( heutiges Slowenien ) Das reiche Erbe der Babenberger weckte die Begehrlichkeit des mächtigen Böhmenkönigs Ottokar II. Prˇemysl: Nam cum obisset Fridericus a , dux Austriae, sine liberis, soror eius Margarita b hereditatem 1 accepit. (…) Eadem iam anus 2 Othocarum sibi virum accivit 3 , qui non tam coniugis aetatem quam dotem 4 animo volvens sterile 5 matrimonium contraxit 5 . (…) Sed quam 6 aucta eius potentia est, tantum etiam insolentia 7 crevit. Qui, vivente legitima coniuge et 8 , quae sibi tantum imperium adiecerat, alteram 9 superduxit 9 Cunigundim c , regis Mascoriae d filiam. Piccolomini, Historia Bohemica 2,39ff. (gekürzt) I 2 4 6 1 hereditas, -atis f. : Erbe 2 anus, -us f. : alte Frau 3 accire 4: herbeiholen 4 dos, dotis f. : Mitgift 5 contráhere 3 (contraxi, -tractum) sterile matrimoni- um: eine kinderlose Ehe eingehen 6 quam: hier: in welchem Ausmaß 7 insolentia, -ae f. : Überheb- lichkeit 8 et: bleibt hier unübersetzt 9 superdúcere 3 (-duxi, -ductum) alteram: als zweite Frau heiraten a Fridericus, -i m. : Friedrich der Streitbare b Margarita, -ae f. : Margarete von Babenberg c Cunigundis, -is f. : Kunigunde ( von Halitsch, Enkelin des ungarischen Königs, Béla IV. ) d Mascoria, -ae f. : Mačva ( ungar. Fürstentum im heutigen Serbien ) Ottokar verstand es in der Folge seine Macht auszubauen. Seine Herrschaft reichte von Böhmen bis zur Adria. Dies gelang ihm besonders deshalb, weil es seit 1250 kei- nen allseits anerkannten deutschen König gab, der ihm hätte Einhalt bieten können („Interregnum“, siehe S. 47). 46 Ein Kampf um Österreich Grabmal Herzog Friedrichs II. in Stift Heiligenkreuz, Niederösterreich Nur zu Prüfzwecken – E gentum des Verlags öbv

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