Ex libris Latein-Einstiegstexte

Ilias und Odyssee 4 Mythen, die Europa prägten Der Trojanische Sagenkreis Den Beginn europäischer Literatur markierte im 8. Jahr- hundert v. Chr. die Gattung Epos mit Ilias (Gesang über Ílion = Troja) und Odyssee (Gesang über Odysseus). Ein Epos (griech. épos: „Wort“ oder „Vers“) ist eine umfassen- de Erzählung, meist zu einem konkreten, heroischen Thema, im Versmaß des Hexameters. Den beiden sogenannten homerischen Epen gemein ist die Tatsache, dass ihr Stoff bereits lange vor der schriftlichen Fixierung von fahrenden Sängern zur Leier gesungen wurde („Oral Poetry“). Deswegen werden die imWerk später eingezogenen Einteilungen auch Gesän- ge genannt. Die Sänger („Aoiden“) zogen von Königsburg zu Kö- nigsburg und improvisierten bei Festen ihr Lied zu ei- nem mythologischen Thema, das ihnen vorgegeben worden war. Vermutlich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. entstanden aus den Liedern dieser Sänger die beiden großen Epen und wurden einem Dichter Homer zugeschrieben. Seine Version des Mythos wurde im gan- zen griechischen Raum verbindlich und von „Rhapso- den“ auswendig vorgetragen. Die Existenz und alleinige Verfasserschaft Homers wurde v. a. ab 1795 durch die Arbeiten von Friedrich August Wolf in Zweifel gezogen. Seither herrscht in der Forschung ständiger Widerstreit, ob beide Gedichte, nur eines davon, vielleicht aber auch nur Teile von einem Dichter „Homer“ stammen („Home- rische Frage“). Die Handlung der Ilias spielt an nur wenigen Kampf- tagen des zehnten Kriegsjahres. Ihr Thema ist der Zorn des Achill, eines Helden, der sich gekränkt vom Kampf zurückzieht, weil ihm der Anführer Agamemnon ein er- beutetes Mädchen weggenommen hat. Dadurch gera- ten die Griechen gegenüber den Trojanern ins Hinter- treffen. Als aber der trojanische Held Hektor Achills Freund Patroklos erschlägt, steigert sich dessen Zorn zur Raserei; er tritt wieder in den Kampf ein, um Rache zu nehmen. Achill tötet schließlich Hektor im Zweikampf und misshandelt den Leichnam. Achills Zorn und damit auch das Epos enden mit der Übergabe des Leichnams an Hektors Vater Priamos und der gemeinsamen Trauer. Das Thema der Odyssee ist Odysseus, seine mühevol- le Rückkehr nach dem Trojanischen Krieg und die Prob- leme, die er nach seiner Rückkehr zu bestehen hat. Zu Beginn wird Telemach von Athene veranlasst, Erkundi- gungen über seinen Vater Odysseus einzuholen. Hermes reist im Auftrag des Zeus zur Nymphe Kalypso, um sie anzuweisen, Odysseus ziehen zu lassen. Odysseus gerät anschließend auf Poseidons Veranlassung in Seenot und kann sich ins Land der Phäaken retten, wo er freundliche Aufnahme findet. Beim Abendessen erzählt er diesen von seinen frü- heren Erlebnissen (Aufeinandertreffen mit zauberhaf- ten Gestalten wie dem Kyklopen Polyphem, der Zaube- rin Kirke, dem Windgott Aiolos u.v.m.). Anschließend bringen ihn die Phäaken nach Ithaka, wo er, von Athene als Bettler verwandelt, unerkannt an der Seite seines Sohnes noch zahlreiche Erniedrigungen durch die Freier erduldet, bevor er sich zu erkennen gibt und diese tötet. Die Sammlung und Interpretation mythologischer Erzählungen findet sich bereits sehr früh, oft für Schul- unterricht verfasst. So schrieb der Mythograph Hygin (2. Jh. n. Chr.) ein mythologisches Handbuch mit Götter- listen, Stammbäumen und mythologischen Erzählun- gen. Aus demMittelalter stammen drei anonym überlie- ferte Handbücher, die unter dem Sammelbegriff Mythographi Vaticani überliefert werden und Mythen- zusammenfassungen und -interpretationen aufweisen. Die sogenannte Goldmaske des Agamemnon, 16. Jh. v. Chr., Nationalmuseum, Athen Homer (römische Kopie eines griechischen Originals), British Museum, London Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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