Ex libris Latein-Einstiegstexte

24 Heilige und Hagiographie Berühmte Heilige Heilige sind für die Kirche Menschen, die durch ihr Le- ben, aber auch durch ihren Tod für Gott Zeugnis able- gen. Darin folgen sie Jesus Christus nach. Durch ihr Wir- ken wird die Größe Gottes in der Welt sichtbar und spürbar. Darum dienen sie den Christinnen und Christen als Vorbild, darum erbittet man ihre Fürsprache bei Gott. Ihnen werden Kirchen geweiht und ihre Grabstätten ge- nießen besondere Verehrung. Ihr Todestag gilt als ihr eigentlicher Geburtstag und wird in der Kirche als Fest- tag begangen. An ihrem Festtag feiern die Gläubigen, die nach ihnen benannt sind, Namenstag. Unter den zahllosen Heiligen nimmt die Mutter Jesu, Maria, eine besondere Stellung ein. Zu ihnen zählt man auch alle, die Jesu nahestanden wie z. B. seine Jünger, die zwölf Apostel (besonders Petrus und Paulus), aber auch die Evangelisten. Da die Kirche seit ihren Anfän- gen oft blutiger Verfolgung ausgesetzt war, gelten fer- ner all jene Männer und Frauen, die ihren Glauben mit dem Leben bezahlten, als heilig. Diese Märtyrer, „Blut- zeugen“, tragen bei bildlichen Darstellungen oft als Sie- geszeichen einen Palmzweig oder jenes Instrument, mit dem sie gefoltert oder zu Tode gebracht wurden. Zur Schar der Heiligen gehören u. a. Kirchenväter wie der heilige Hieronymus und Ordensgründer wie der heilige Benedikt oder der heilige Franziskus. Die Heiligenverehrung setzte schon früh ein. In der Zeit der Verfolgung machte man sich mit dem Beispiel standhafter Gläubiger Mut, später suchte man darin Er- bauung. Prozessakten lieferten oft den Stoff. Mündliche Überlieferung baute die Legenden aus oder begründete sie neu. Auch Wunder, die die Größe Gottes dokumen- tierten, durften darin nicht fehlen. Solche Heiligenle- genden fanden weite Verbreitung und wurden schließ- lich verschriftlicht. Die Hagiographie, die Schriftstellerei über das Leben von Heiligen, wurde im Mittelalter eine beliebte literarische Gattung. Eine bedeutende Samm- lung von Heiligengeschichten bietet die Legenda aurea des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert. Jaco- bus gehörte dem Orden der Dominikaner an und wurde später sogar Erzbischof von Genua. Seine Legenda au- rea – der Titel stammt erst aus späterer Zeit – folgt da- bei im Aufbau dem Heiligenkalender des Kirchenjahres. Die Tagesheiligen sind u. a. auch im römischen Brevier, dem Gebetbuch katholischer Priester, kurz beschrieben. Félix Chrétien, Die Steinigung des hl. Stephanus , 1550, Kathedrale Saint-Étienne, Auxerre Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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