Ex libris Latein-Einstiegstexte

Der Thebanische Sagenkreis 11 Die attische Tragödie Wesentlicher Bestandteil griechischer Lebensart waren Theateraufführun- gen, die einen kultischen Hintergrund hatten und zu Ehren des Dionysos aufgeführt wurden. Der Tyrann Peisistratos ließ 534 v. Chr. anlässlich der Großen Dionysien in Athen Thespis engagieren, um das Fest mit szenischen Aufführungen zu bereichern. Als Preis bzw. Opfer für den Gott diente einst ein Bock („trágos“), weshalb vermutlich die Schauspiele als Tragödien be- zeichnet wurden. Ausgerichtet und finanziert wurden die Schauspiele vom Staat. Der In- halt war dem griechischen Mythos entnommen. Die Stücke gliederten sich in zumeist drei Akte, in denen maximal drei Schauspieler auftraten. Dabei konnte ein Schauspieler im Stück mehrere Rollen (auch Frauenrollen) über- nehmen. Die Schauspieler trugen dabei Masken, lange wallende Gewänder und hohe Schuhe („Kothurn“). Die Akte waren durch Standlieder des Chores getrennt. Darin wurde das Geschehen in lyrischen Versmaßen kommentiert. Das Versmaß der Schauspiele war der Jambus. Gespielt wurden an je drei Tagen je drei Tragödien und ein Satyrspiel eines Dichters. Unter den drei Dichtern wurde der Sieger gekürt und mit einem Staatspreis belohnt. Schauspieler bereiten sich auf ein Satyrspiel vor. Vasenmalerei, um 410 v. Chr., Museo Archeologico Nazionale Mythen rund um Theben Der Thebanische Sagenkreis umfasst Mythen rund um die griechische Stadt Theben. Diese wurde der Sage nach von Kadmos gegründet, nachdem er die Suche nach seiner von Zeus entführten Schwester Europa er- folglos eingestellt hatte. Die ersten Bewohner sollen aus Drachenzähnen entstanden sein („Sparten“). Bekannt ist ferner die Bestrafung des Königs Pentheus, der sich dem Kult des Gottes Dionysos verweigerte. Besonders berühmt sind freilich die Mythen von Ödi- pus und seiner Familie. Von den frühen Epen zum The- banischen Sagenkreis (z. B. Thebais) ist kaum etwas er- halten. Ihren festen Platz in der Weltliteratur erhielten diese Mythen aber durch die Dramen der großen drei attischen Tragiker, Aischylos (525–456 v. Chr.), Sophokles (497/96–406/05 v. Chr.) und Euripides (485/84–406 v. Chr.). Auch in späterer Zeit wurden diese Stoffe immer wieder bearbeitet. Genannt seien hier als Beispiel Sophokles’ „Thebani- sche Tragödien“, die aus folgenden Tragödien besteht: • König Ödipus (deutsch „Schwellfuß“) wird wegen ei- nes Orakelspruchs ausgesetzt und vom korinthischen Königspaar aufgezogen. Als junger Mann macht er sich auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern. Ohne es zu wissen, tötet er bei einer Auseinanderset- zung seinen leiblichen Vater Laïos. Als er Theben von der Plage der Sphinx befreit, wird er zur Belohnung Laïos’ Nachfolger und heiratet seine eigene Mutter, Iokaste. Mit ihr zeugt er Antigone, Ismene, Eteokles und Polyneikes. In der Tragödie erfahren Ödipus und seine Umgebung nach und nach die Wahrheit. Iokas- te nimmt sich daraufhin das Leben, Ödipus sticht sich selbst die Augen aus. • In Ödipus auf Kolonos kommt der Titelheld mit sei- nen Töchtern nach Athen (auf den Hügel Kolonos) und wird von König Theseus aus Mitleid aufgenom- men. Inzwischen haben sich Ödipus’ Söhne Eteokles und Polyneikes zerstritten, da die zwischen ihnen vereinbarte wechselnde Herrschaft über Theben nicht funktioniert. Als Polyneikes plant, mit einem Heer gegen Theben zu ziehen, verflucht ihn Ödipus und prophezeit, dass beide Söhne einander beim Streit um Theben töten werden. Zuletzt stirbt Ödipus, zurückgezogen auf dem Kolonos. Die beiden Töchter kehren nach Theben zurück, um den Bruderkampf zu verhindern. • Mit Antigone endet die Trilogie. Nach dem Tode von Eteokles und Polyneikes hat nun ihr Onkel Kreon die Herrschaft inne. Dieser lässt Eteokles bestatten, die Bestattung des Angreifers Polyneikes aber untersagt er bei Strafe. Antigone möchte trotz dieses Verbots ihren Bruder bestatten und wird deshalb zum Tode verurteilt. Aufgrund böser Vorzeichen ändert Kreon seine Meinung und lässt Polyneikes bestatten. Anti- gone kann er jedoch nicht mehr retten, weil sie sich zuvor das Leben genommen hat. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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