Ex libris Latein-Einstiegstexte

10 Mythen, die Europa prägten  | Odysseus Odysseus’ Heimkehr Einige Jahre musste Odysseus schließlich noch auf Ogygia, der Insel der Kalypso, ausharren, doch auf Wunsch der Götter lässt diese ihn schließlich gehen. Er baut sich ein Floß und macht sich von Ogygia auf den Weg nach Hause. Poseidon gerät darüber in Zorn und entfacht einen Seesturm, dem Odysseus nur mit Hilfe einer Meeresgöttin entkommen kann: Inde in insulam Phaeacum a venit nudusque ex 1 arborum foliis se obruit 2 , qua 3 Nausicaa b , Alcinoi c regis filia, vestem ad flumen lavandam tulit. Ille erepsit 4 e foliis et ab ea pet‹iv›it, ut sibi opem 5 ferret. Illa misericordiā mota pallio eum operuit 6 et ad patrem suum eum adduxit. Alcinous c ‹eum› hospitio liberaliter 7 acceptum donisque 8 decoratum 8 in patriam Ithacam dimisit. (…) Post vicesimum annum sociis amissis solus in patriam red‹i›it; (…), procos, qui Penelopen d in 9 coniugium petebant 9 , obsidentes vidit regiam seque hospitem ‹esse› simulavit. (…) Postea procos Minervā adiutrice 10 cum Telemacho filio et duobus servis interfecit sagittis. Hygin, Fabulae 95,18–20 (gekürzt) 2 4 6 8 10  1 ex ( + Abl. ): hier: mit  2 obrúere 3, obrui, obrutum: verhüllen  3 qua ( Adv. ): da, wo(hin)  4 erépere 3, erepsi: hervor- kriechen  5 ops, opis f. : Hilfe  6 operire 4, operui, opertum: bedecken  7 liberaliter ( Adv. ): gütig  8 decorare 1 donis: mit Geschenken bedenken  9 pétere 3 in coniugium: heiraten wollen 10 adiutrix, -icis f. : Helferin a Phaeaces, -um m. : Phäaken ( fabelhaftes Volk auf der Insel Schería ) b Nausicaa, -ae f. : Nausikaa ( Phäakenprinzessin ) c Alcinous, -i m. : Alkinoos ( König der Phäaken ) d Penelope, -es, Penelopen ( Akk. ) f. : Penelope ( Gattin des Odysseus ) In Anton Wildgans’ Rede über Österreich (1929) heißt es: Man hat uns Österreicher ein Volk von Phäaken genannt und hat uns damit als zwar liebenswürdige, aber zugleich auch als allzu unernste und genießerische Leute abfertigen wollen, die Gott einen guten Mann sein lassen und spielerisch in den Tag hineinleben. (…) Nur in einem Punkte, meine Damen und Herren, will ich die Märe, daß wir Österreicher Phäaken seien, (…) gelten lassen: Als der herrliche Dulder Odysseus an die Küste des Phäakeneilandes verschlagen worden war, da begegnete ihm als erste die liebliche Königstochter Nausikaa, labte den Erschöpften, bekleidete seine Blöße und nannte ihm den Weg zum Palast ihres Vaters. Gastliche Ehren erweist der König dem Fremdling, und beim festlichen Mah- le gebietet er dem Sänger, „welchen die Völker ehren“. Und dieser rührt die klingende Harfe erst zum heiteren Liede und Tanze, dann aber – nachdem sie sich auch am Wettlauf und Weitwurf erfreuten – hebt er die Weise an von Trojas Fall und von dem Sterben der Helden: (…). In diesem Sinne, daß unser mit allen Gotteswundern der Schönheit begnadetes und von freundlichen Menschen bewohntes Land auch weiterhin ein Eiland des Gesanges sei und daß von ihm die edle Heiterkeit und die starkmütige Ergriffenheit menschlicher Herzen ausgehe, in diesem Sinne wollen wir Österreicher Phäaken sein und bleiben! Reproduktion, Transfer und Reflexion • Fasse den Inhalt des lateinischen Textes in eigenen Worten zusammen. Gehe dabei besonders auf Odysseus’ Aufenthalt bei den Phäaken ein. (R) • Erkläre, worin Wildgans Anklänge zwischen den Phäaken und den Österreichern findet, weswegen er diese Parallele aber in anderen Punkten ablehnt. (T) • Setze dich kritisch mit dem Vergleich zwischen Österreichern und Phäaken auseinander und stelle deine eigene Sicht hierzu dar. (X) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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