Ex libris Latein-Grundkurs, Schulbuch

Für Vitruv ist der Beruf des Architekten eine verantwor- tungsvolle Tätigkeit, die nicht von jedermann ausgeübt werden kann. Wer Architekt werden möchte, muss aus seiner Sicht umfassend gebildet sein: Um den Bauherrn seine Ideen unterbreiten zu können, muss er sich schrift- lich ausdrücken und dreidimensional zeichnen können. Er muss Geometrie beherrschen, um Grundrisse zu zeichnen, und Arithmetik, um Proportionen zu berech- nen. Ein Architekt soll über die Entstehung einzelner Stilrichtungen und Gebäudeformen Bescheid wissen und sich mit Philosophie, Medizin, mit Musik und den Naturgesetzen beschäftigt haben. Er muss auch die Sterne beobachten und bedenken, dass sich die Licht- verhältnisse im Lauf der Jahreszeiten verändern. Außer- dem sind Kenntnisse der Rechtswissenschaften nötig, da er sich bei der Planung von Gebäuden an Vorschrif- ten zu halten hat. Einem guten Architekten gelingt es – davon ist Vitruv überzeugt –, jedes von ihm entworfe- ne Gebäude mit firmitas (Stabilität), utilitas (Nutzen) und venustas (Schönheit, Ästhetik) auszustatten. Sakralbaukunst In zwei Büchern seines zehnbändigen Werkes behan- delt Vitruv die Sakralbaukunst, die er als die „Königsdis- ziplin“ der Architektur ansieht. Dabei geht er besonders auf die drei großen Stil- richtungen ein, in denen die Griechen die Säulen für die Tempel ihrer Götter er- richteten. Wichtig ist ihm dabei, für jede Gottheit eine angemessene, passende Säulenform zu finden: • Die schlichte dorische Säule wird für die „mannhaf- ten“ Gottheiten Minerva und Mars und Herkules verwendet, da Bauten mit zu vielen gestalterischen Feinheiten nicht zu deren Stärke passen würden. • Ionische Säulen finden sich an Tempeln für die „mitt- leren“ Götter, z.B. Juno, Diana oder Bacchus, da dieser Säulentypus nicht völlig schlicht, aber auch nicht zu überladen und ausgeschmückt wirkt. • Die korinthische Ordnung gehört den „mädchenhaf- ten“ Gottheiten Venus, Flora, Proserpina und den Quellnymphen, denen man zarten und verspielten Schmuck bieten möchte. In der römischen Architektur wurde von diesen drei Grundtypen vor allem das korinthische Kapitell verwendet, weil es besonders prächtig und wertvoll aussah. Man kombinierte aber auch Teile der korin- thischen mit der ionischen Säulenordnung zu einem „Kompositkapitell“, das diesen Eindruck noch ver- stärkte. Der ideale Architekt Antike Tempel und Statuen sahen in ihrer Entstehungs- zeit keineswegs so aus wie heute, sondern waren in leuchtenden Farben bunt bemalt. dorische Säule (Basis und Kapitell) ionische Säule (Basis und Kapitell) korinthische Säule (Basis und Kapitell) Finde mithilfe eines Lexikons oder einer online-Suche Definitionen für die folgenden Fachbegriffe, die einzelne Teile eines griechischen Säulenkapitells bezeichnen: Abakus – Akanthus – Echinus – Kanneluren – Voluten Beschrifte anschließend die drei Säulenkapitelle mit diesen Begriffen (Achtung: Einige passen nur zu einem Typus, andere zu mehreren.). Erfinde in Anlehnung an den Lektionstext eine Ursprungssage für das ionische Säulenkapitell. Dein Text soll nicht länger als 200 Wörter sein. 16.9 16.10 98 16 Antike Baukunst Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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