Ex libris Latein-Grundkurs, Schulbuch

Wie bereits gesagt, hat man in der Antike zahlreiche Naturerscheinun- gen und Gegebenheiten auf der Welt über Mythen erklärt. Allerdings gaben sich nicht alle Menschen mit diesen Erklärungen zufrieden, und so glaubten im 6. Jahrhundert v. Chr. einige Männer in Griechenland, dass die Frage nach dem Ursprung aller Dinge nicht durch Mythen beant- wortet werden könne, sondern in der Natur selbst liege. Man bezeich- net diese Männer als „Philosophen“, was auf Griechisch etwa „Freunde der Weisheit“ bedeutet. Diese Philo- sophen waren davon überzeugt, dass die Welt aus einem einzigen Urstoff entstanden sei, der für alles Werden und Vergehen verantwort- lich sei, und stellten dazu unter- schiedliche Theorien (griech. theoría – „Sehen mit dem Geist“) auf. Damit eine Theorie Anhänger findet und sich durchsetzen kann, muss sie lo- gisch (griech. lógos – „Rede“, „Argu- ment“ oder „Vernunft“) und nachvoll- ziehbar sein. Einer der ersten Mythos und Logos Den Teilbereich der Philo- sophie, der sich mit dem sittlich guten Handeln des Menschen beschäftigt, be- zeichnet man als Ethik . Denker, die an einen Urstoff der Welt glaubten, war Thales, der meinte, dass Wasser dieses ursprüngliche Element sei. Heute liegt die Beschäf- tigung mit der Natur und ihren Ge- setzmäßigkeiten nicht mehr im Be- reich der Philosophie, sondern ist Sache der Naturwissenschaften. In der Antike wurde zwischen diesen Disziplinen allerdings kein Unter- schied gemacht. Die sokratische Wende Mit dem Philosophen Sokrates aus Athen (469–399 v.Chr.) schlug die an- tike Philosophie eine völlig neue Richtung ein. Er lehnte die Beobach- tung der Natur ab und rückte den Menschen in das Zentrum seiner Überlegungen. Er fragte etwa: „Was ist gutes und verantwortungsvolles Handeln?“ oder „Wie verhält sich der Einzelne in der Gemeinschaft rich- tig?“. Dabei wollte Sokrates seinen Schülern keine vorgefertigten Denk- muster und Theorien vermitteln, sondern er führte auf dem Markt- Recherchiere in der Schulbibliothek oder im Internet, wie die Welt nach den Erkenntnissen heutiger Naturwis- senschaften tatsächlich entstanden sein dürfte. Hatten die griechischen Philosophen Recht, wenn sie an einen einzigen gemeinsamen Urstoff glaubten? Bildet Zweierteams, sucht euch aus den ethischen Fragen rund um die Sokrates-Büste eine aus, die euch am meisten interessiert, und diskutiert sie. Beachtet dabei folgende Regeln: • Ich nehme die Meinung und die Argumente meines Gegenübers ernst. • Ich darf die Argumente meiner Partnerin/meines Partners hinterfragen. • Wir bleiben in unserem Dialog möglichst nahe an der vorgegebenen Fragestellung. 24.10 24.11 platz von Athen Gespräche, in denen die philosophische Wahrheit aus je- dem Einzelnen selbst „geboren“ werden sollte. Daher nennt man das Prinzip, mit dem Sokrates lehrte, auch „Maieutik“ (griech. „Hebam- menkunst“). Es gibt keine von Sokrates selbst verfassten Schriften. Alles, was wir über ihn wissen, erfahren wir aus den Werken von Xenophon, Platon und Aristoteles. Es waren aber nicht nur einzelne Philosophen, die sich Sokrates anschlossen, sondern auch viele junge Menschen. Diese Be- liebtheit könnte dazu geführt ha- ben, dass die Athener Stadtpolitiker Sokrates Unterrichtsverbot erteilten und ihn, weil er die Jugend verderbe und die Existenz der Götter leugne, zum Tode verurteilten. Was ist Glück? Was ist Ordnung? Was ist Mut? Was ist Liebe? Was ist Reichtum? Was ist Aufrichtigkeit? Was ist Schönheit? Was ist Feigheit? 150 24 Der größte Philosoph Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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