Ex libris Latein-Grundkurs, Schulbuch

Die Römer konnten Judäa – aus an- tiker Sicht etwa das Gebiet des heu- tigen Westjordanlandes – 63 v. Chr. erobern und in weiterer Folge als Provinz in ihr Reich eingliedern. Die Römer erlaubten den Juden ihre mo- notheistische Religion und räumten ihnen im Bereich der Verwaltung einen Sonderstatus ein. Sie ließen das Land größtenteils von einem re- gionalen Fürstenhaus, der Familie des Herodes, regieren. Als Herodes der Große starb, kam es zu einem Aufstand, den die Römer allerdings schnell niederschlagen konnten. Kaiser Augustus teilte daraufhin die Herrschaft im Land auf die Söhne des Herodes auf. Einer von ihnen entpuppte sich als Tyrann und wur- de entlassen. Sein Herrschaftsge- biet wurde daraufhin römischen Verwaltungsbeamten unterstellt. Einer dieser Beamten war Pontius Pilatus, von dem im Neuen Testa- ment berichtet wird, dass er in sei- ner Funktion als Statthalter Jesus zum Tode verurteilt habe. In den folgenden Jahren versuchte die jüdi- sche Bevölkerung immer wieder, die römische Fremdherrschaft abzu- schütteln. 66 n. Chr. kam es zu einem großen Volksaufstand, der erst 70 n. Chr. durch Titus, den Sohn des Kai- sers Vespasian, niedergeschlagen werden konnte und zur Zerstörung des Tempels von Jerusalem führte. Neben den Historien des Tacitus be- richtet auch der Geschichtsschrei- ber Flavius Josephus, der als Jude an den römischen Kaiserhof kam und eine Geschichte des Jüdischen Krie- ges in griechischer Sprache verfasst hat, von der Zerstörung des Tem- pels. Rom und Judäa Ein Triumph für den Sieger Nach der Zerstörung des Tempels sollen 97000 Juden in römische Ge- fangenschaft geraten sein, außer- dem wurde für Titus in Rom ein Tri- umph ausgerichtet. Dabei fuhr der siegreiche Feldherr in festlicher, pur- purfarbener Kleidung und begleitet von seinen Truppen, von Senatoren, hohen Beamten und Hornbläsern auf einem geschmückten Wagen durch die Stadt. Der Zug führte über das Forum Romanum zum Tempel des Kapitolinischen Jupiters, in dem Titus dem Gott ein feierliches Opfer darbrachte. Anschließend gab es für das Heer und die Bevölkerung ein großes Fest, wodurch das gesamte Volk an dem militärischen Erfolg über das fremde Land teilhaben konnte. Als Andenken an seinen Bruder Ti- tus, der von 79 bis 81 n. Chr. Kaiser war, errichtete dessen Nachfolger Domitian 81 n. Chr. den Titusbogen auf dem Forum Romanum. Auf den darauf angebrachten Reliefs sind einige Szenen aus dem Feldzug ge- gen die Juden und dem anschlie- ßenden Triumphzug zu sehen. Au- ßerdem sind zwei Inschriften angebracht, von denen eine lautet: SENATVS POPULVSQUE ROMANVS DIVO TITO DIVI VESPASIANI F[ilio]* VESPASIANO AVGVSTO Der Titusbogen befindet sich auf dem Forum Romanum. Titus war entschlossen, am folgenden Tag in aller Frühe mit seiner ganzen Heeresmacht anzugreifen und den Tempel zu umzingeln. […] Als nun die Soldaten den zurückweichenden Juden nachsetzten und bis zum Tempelgebäude vorgedrun- gen waren, ergriff einer der Soldaten, ohne einen Befehl dazu abzuwarten oder die schweren Folgen seiner Tat zu bedenken, wie auf höheren Antrieb eine Fackel und schleuderte sie ins Innere. Sowie die Flammen aufloderten, erhoben die Juden ein gewaltiges Geschrei und rannten, ohne auf die Gefahr zu achten oder ihre Kräfte zu schonen, von allen Seiten herbei, um sich gegen das Feuer zu wehren: Denn es drohte verloren zu gehen, was sie bisher vor dem Äußersten zu bewahren versucht hatten. […] Auf diese Weise ging der Tempel gegen den Willen des Titus in Flammen auf. Flavius Josephus, Der Jüdische Krieg * Die Buchstaben in eckigen Klammern sind auf der Inschrift nicht vorhanden, sie sind die Ergänzung einer geläufigen Abkürzung. Vergleiche diese Schilderung der Ereignisse mit dem Inhalt des Lektionstextes und halte die gegensätzlichen Aussagen der beiden Texte in Stichwörtern fest. Recherchiere online oder in der Bibliothek, welche Bauwerke sich heute auf dem Gebiet befinden, auf dem einst der Tempel von Jerusalem stand. Übersetzt die Inschrift gemeinsam und besprecht, welche Funktion sie haben könnte. Erkundigt euch, ob es auch in eurer Umgebung lateinische Inschriften auf Gebäuden gibt, stellt sie (am besten mit anschaulichem Bildmaterial) in der Klasse vor, übersetzt sie und klärt, zu welchem Zweck sie angebracht worden sind. 23.11 23.12 23.13 144 23 Sieger und Besiegte Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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